Friedrich Oscar Ruge- Militär, Stadtpolitiker und AutorFriedrich Oskar Ruge (* 24. Dezember 1894 in Leipzig, † 3. Juli 1985 in Tübingen) war als Militär, Politiker und Schriftsteller auch in Cuxhaven tätig. Persönlicher WerdegangFriedrich Ruge wurde zu Heiligabend 1894 in eine Familie von Akademikern geboren. Der Vater, Oberstudiendirektor Dr. Walter Ruge, (* 1865, † 1963) war Philologe, Geograph und Gymnasialprofessor in Leipzig, die Mutter war Martha-Friederike Ruge, geb. von Zahn. Der Großvater, Prof. Sophus Ruge, geboren in Dorum, war Geograph und Geographiehistoriker sowie Namens- geber für ein Kap auf Papua-Neuguinea. Sein Onkel, Prof. Dr. med. Reinhold Ruge, war Marinegeneralarzt. Sein Großonkel war Hofbuchhändler in Dresden. Auch wenn Friedrich Ruge in Leipzig geboren wurde, lagen die Familienquellen in Dorum bei Cuxhaven. Er hatte zwei Geschwister. Er besuchte in Leipzig die renomierte Thomasschule, bekannt durch den Thomanerchor, bis der Vater als Gymnasialrektor nach Bautzen berufen wurde, wo er seine letzten beiden Schuljahre verbrachte. Er erlebte nach seinen Worten eine harmonische und familienbezogene Jugend. Schon früh schloss er sich der Wandervogel-Bewe- gung an; zeitlebens war er begeisterter Wanderer. Seine zweite Leidenschaft war das Schreiben. Zu jeder Zeit war er nebenbei, so er Zeit fand, auch schrift- stellerisch tätig, wie auch andere Marine-Kameraden. Sein Repertoire reichte von humoristischen Gedichten über teils humorvoll verfasste Erlebnisse oder Begebenheiten hin zu poli- tischen und militär-historischen Werken (siehe Anhang). Nach dem 2. Weltkrieg wurde er schriftstellerisch in Bremerhaven als Mitarbeiter im `US-Naval Historical Team´ tätig, das sich der maritimen Komponente im heraufziehenden Ost-West-Konflikt widmete, sowie bei der Deutschen Marinebund – Zeitschrift „Leinen los!“. Seiner Wanderleidenschaft entsprechend wurde Ruge später korrespondierendes Mitglied des `Coro- nelli-Weltbundes der Globusfreunde`. Ruge heiratet im August 1920 Ruth Greef (* 1897, † 1967), hat 5 Kinder, von denen eines im Alter von 11 Monaten stirbt. Friedrich Ruge stirbt 90-jährig als hoch geehrter und dekorierter (s. u.) Angehöriger von vier Marinen am 3. Juli 1985 in Tübingen. Die Wertschätzung, die Ruge bei den verbündeten Streitkräften genoss, drückt sich u.a. aus in der nach seinem Tod erfolgten Benennung eines Vortragsraumes in der A. Keith Brewster Science Library in Wisconsin in "Admiral Ruge Archives". Dass auch Ruge vom Zeitgeist nicht verschont blieb, zeigen Äußerungen des Autors Ruge. Hier ein Beispiel: (Libau 1915) "... Gute Stoffe gab es billig, und mancher Seefahrer ließ sich eine schöne neue Uni- form bauen. Die gesamte Schneiderei lag allerdings in jüdischen Händen, wie überhaupt nahezu alle Zwei- ge von Handel und Gewerbe, wenigstens alle lohnenden. Damals hatte man die Zusammenhänge der Ras- senfrage noch nicht genügend erkannt und ließ den Juden weiter verdienen. ..." Militärischer Werdegang Bis 1. Weltkrieg Ruges Werdegang als Mariner beginnt 1912 als 17-jähriger Abiturient durch eine von seinem Onkel vermittelte Rundfahrt auf der `S.M.S. Hessen´. Dieses Erlebnis dürfte für ihn die Weichen für seine Zukunft gestellt haben. So meldet er sich spontan im März 1914 in Flensburg-Mürwig zur Marineschule. Den Ausbruch des I. WK. erlebt er auf dem Großen Kreuzer `S.M.S. Hertha´. Er durchläuft als Offizieranwärter jede Stufe der Ausbildung, teils an Land, teils zur See, belegt diverse Lehrgänge, dient mal an der Ost-, mal an der Westfront. Sein erstes Kommando erhält er am 24. Dezember 1914 auf dem Leichten Kreuzer `S.M.S. Lübeck´. `Sein´ Kriegsende erlebt er als traumatisierendes Erlebnis als Kommandant eines Torpedobootes in Scapa Flow auf den Ork- neys, als sich dort auf Befehl des Konteradmirals v. Reuter sieben Monate nach Kriegsende der internierte Kern der Deutsche Marine versenkt. Damit gehen 16 Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer, 8 kleine Kreuzer und 50 Torpedoboote bei strahlendem Sonnenschein und aufgezogenen Kriegsflaggen verloren. "Wir trau- ten unseren Augen nicht, als die Schiffe plötzlich absackten...", erinnern sich englische Seeleute. "Jauch- zende und singende Seeleute kletterten aus ihren Rettungsbooten zu uns an Deck..." (Sie hatten mit der Versenkung 7 Monate `Gefangenschaft´ auf engstem Raum und unter großem Mangel auf den Schiffen hin- ter sich). Auch englische Schulkinder bejubelten das Schauspiel. Sie hatten die schwimmenden Ungetüme von einer Barkasse aus besichtigt und "dachten, die Schau sei zu ihrem Vergnügen arrangiert worden", so ein anderer Zeuge. Damit geht er mit rund 150 Offizieren und 5.000 Mann Besatzung für weitere 7 Monate in englische Gefan- genschaft, er in die Lager Oswestry und Donington Hall. Bis 2. Weltkrieg Im April 1920 nimmt er wieder den den Dienst in der Reichsmarine auf, unter anderem als Adjutant beim Kommandeur der Küstenwehrabteilung, studiert nebenbei abgeordnet einige Semester Schiffbau an der TH Charlottenburg, belegt Sprachstudien in Englisch und Italienisch und wird zum Minenabwehr- spezialisten. 1932 wird er Chef der 1. Minensuchflottille, im Juni 1937 Kom- mandant der Minensuchboote. Am 1. April 1938 wird Cuxhaven mit der Verlegung der Führung der Minen- suchboote von Wilhelmshaven nach Cuxhaven unter Fregattenkapitän Fried- rich Ruge wieder Minensucherstadt. Mit Beginn des Krieges WK. II wird die Führung der Minensuchboote geteilt in Ost und West. Ab 24. August 1939 wird in Cuxhaven auf dem Tender JAGD (M-82) der Stab des Führers der Minensuchboote West errichtet unter Konter- admiral Strohwasser. Im Oktober 1939, nach dem Ende des Polenfeldzuges, wird Strohwasser von Kommodore Friedrich Ruge abgelöst bis Februar 1941. 1940 in seinem Amt nach Troville/Frankreich verlegt, unterstehen ihm zusätz- lich die Flottillen der Räumboote und Sperrbrecher. Am 11. Oktober 1940 be- kommt er das Ritterkreuz verliehen. Weitere Aufgaben führen ihn u.a. als Chef des Deutschen Marinekommandos nach Italien, als Admiral bei der Heeresgruppe B zum Generalstab Rommels und zum Chef des Konstruktionsamtes im Oberkommando der Kriegsmarine. Nach Kriegsende Während seiner Kriegsgefangenschaft in Jabbeke und Zedelghem (Belgien) bis November 1946 beschäftigt sich Ruge mit der Unterrichtung Deutscher Mitgefangener in Fremdsprachen. Nach seiner Überführung im Juli 1946 nach Munsterlager wird er am 30. November entlassen. Nach seiner Entlassung ist er bis 1949 in Cuxhaven als Englischlehrer und –dolmetscher mit eigenem Übersetzungsbüro, sowie als Bibliothekar tätig. Von 1949 bis 1952 verfasst er unter amerikanischer Aufsicht als Mitarbeiter des `Naval Historical Team´ Aufzeichnungen über seine Erfahrungen als Mari- nesoldat im Krieg vor allem gegen Russland. Im neu gegründeten Deutschen Marinebund wird er Organisationsleiter und schreibt für die Verbands-Zeit- schrift „Leinen los!“. Gleichzeitig engagiert er sich im Verband Deutscher Soldaten und in der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise. Von 1952 bis 1954 ist er parteiloser Vorsitzender des Kulturausschusses im Rat der Stadt Cuxhaven. Nebenbei setzt er verstärkt seine marine-historische schrift- stellerische Tätigkeit fort. Am 1. März 1956 tritt er der Bundeswehr bei als Leiter der Abteilung VII (Marine). Am 1. Juni 1957 wird er als Vizeadmiral zum ersten Inspekteur der Marine ernannt. Damit war er zuständig für die der NATO unterstellten Marineverbände. Entsprechend seinem Motto: `Erleben - lernen – weitergeben´ legte er das Hauptaugenmerk auf die Aus- und Weiterbildung des Führungsnachwuchses. Sein Motto hier: `Wir sind eine Marine mit begrenzten Mitteln aber unbegrenztem Horizont´. Am 14. Juli 1956 besucht Ruge als Inspekteur der Marine Cuxhaven. 1961 geht Ruge mit 66 Jahren in den Ruhestand. Nachdem er bereits 1954 seinen Wohnsitz nach Tübingen verlegt hat, erhält Ruge ab 21. Juli 1967 als Lehrbeauftragter an der Philosophischen Fakultät der Universi- tät Tübingen eine Honorarprofessur für politische Wissenschaften, eine von Theodor Eschenburg geförderte Stelle. Zusätzlich bekleidet er die Ämter als Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr, Präses des Arbeitskreises für Wehrforschung sowie Präsident der Gesellschaft für Wehrkunde. Seine aufklärerische Tätigkeit, sowohl bereits in englischer Gefangenschaft, als auch anschließend unter den Amerikanern, und seine dadurch bedingten internationalen Verbindungen, ebnen Ruge nicht nur den Weg zum Inspekteur der Marine, sondern zur Berufung in den `Himmeroder Kreis´. Dieser bestand aus einer Anzahl höchster Militärs der Wehrmacht, die, von Konrad Adenauer zusammengerufen, entscheidend die Gründung der Bundeswehr planten und vorbereiteten. Die Ergebnisse dieser Planung schlugen sich nieder in der 1950 erstellten geheimen `Himmeroder Denkschrift´. Ruge wirkte hieran für den Bereich der Marine mit. Ebenso war er beteiligt an den Sondierungsgesprächen im Amt Blank, dem Vorläufer des Bun- desverteidigungsministeriums. Damit hatte er wesentlichen Anteil an der Gründung der Bundeswehr. Ruge - tabellarisch Militärischer Werdegang bis 1945 •1. April 1914 Eintritt in die Kaiserliche Marine als Seekadett •2. April – 10. Mai 1914 Infanterie-Ausbildung an der Marineschule Kiel-Wik •Mai – 10. August 1914 S.M.S. „Hertha“ •11. August – September 1914 S.M.S. „Lothringen“ •Oktober – November 1914 S.M.S. „Hertha“ •November – 23. Dezember 1914 Funkerlehrgang an der Marineschule Mürwik •Dezember 1914 – Februar 1915 S.M.S. „Lübeck“ •Februar – 30. November 1915 S.M.S. „Elsass“ •1. Dezember 1915 – Februar 1916 Navigationslehrgang •1. März – April 1916 Torpedofahrlehrgang – Torpedo-Schulhalbflottille •Mai – Juni 1916 Fähnrich-Artillerie-Lehrgang auf S.M.S. „Kaiserin Augusta“ •Oktober 1916 – November 1918 Wachoffizier auf Torpedoboot B 110, 4. Torpedohalbflottille •November 1918 – 21. Juni 1919 Kommandant auf Torpedoboot B 112, 4. Torpedohalbflottille •21. Juni 1919 – Januar 1920 Britische Kriegsgefangenschaft •April – Juni 1920 Küsten-Warnanlage KWA I •September 1920 – September 1923 Sperrversuchskommando, Adjutant und Assistent, K M 60 •Oktober 1923 – September 1924 Küsten-Warnanlage KWA III •Oktober 1924 – September 1926 Studium Schiffbau an der Technischen Hochschule Berlin •Oktober 1926 – September 1928 KM 136, 1. Minensuchflottille •Oktober 1928 – September 1932 Sperrversuchskommando •Oktober 1932 – September 1934 Chef 1. Minensuchflottille •Oktober 1934 – Mai 1937 3. Admiralstabsoffizier beim Stab des kommandierenden Admi-rals des Marinekommandos in Kiel, zuständig für Minenwesen •Juni 1937 – September 1939 Führer der Minensuchboote •September – Oktober 1939 Führer der Minensuchboote Ost •Oktober 1939 – 16. Februar 1941 Führer der Minensuchboote West •17. Februar 1941 – 17. Mai 1943 Befehlshaber der Sicherung West •18. Mai – August 1943 Befehlshaber Marinekommando Italien •August – November 1943 Führerreserve •November 1943 – August 1944 Admiral bei der Heeresgruppe B -Rommel-•August – Oktober 1944 Oberkommando der Wehrmacht - Amt für Schiffbau (zur Verfü-gung) •November 1944 – Mai 1945 Oberkommando der Wehrmacht - Chef des Amtes für Schiffbau Führungsposten •1. Juni 1937 Führer der Minensuchboote •1. September 1939 Führer der Minensuchboote Ost •15. Oktober 1939 Führer der Minensuchboote West •April 1940 zugl. Führer der Kriegsschiffgruppe 10 (Operation Weserübung) •17. Februar 1941 - 31. Mai 1943 Befehlshaber der Sicherung West •12. März 1943 - 21. Mai. 1943 zugl. Chef des Sonderstabes Tunesien bei der kgl. ital. Marine •22. Mai 1943 - 12. August 1943 Befehlshaber des Deutschen Marinekommandos Italien es folgten einige Stabsstellungen •5. März 1956 - 31. Mai 1957 im Verteidigungsministerium als Abteilungsleiter VII Marine •1. Juni 1957 - 30. September 1961 Inspekteur der Marine Beförderungen •1. April 1914 Seekadett •23. Dezember 1914 Fähnrich zur See •13. Juli 1916 Leutnant zur See •28. September 1920 Oberleutnant zur See, Patentierung vorbehalten •14. Mai 1921 Oberleutnant zur See mit Wirkung und RDA vom 28. September 1920 •1. Oktober 1925 Kapitänleutnant •1. April 1933 Korvettenkapitän •1. Januar 1937 Fregattenkapitän •1. Januar 1939 Kapitän zur See •1. Februar 1940 Kommodore •1. April 1942 Konteradmiral •1. Februar 1943 Vizeadmiral •November 1943 Admiral •1. März 1956 Vizeadmiral Ehrungen •26. August 1917 Eisernes Kreuz (1914) II. Klasse •2. März 1918 Eisernes Kreuz (1914) I. Klasse •2. Oktober 1936 Dienstauszeichnung der Wehrmacht II. bis IV. Klasse •21. Dezember 1936 Olympia-Ehrenzeichen II. Klasse •17. Oktober 1939 Spange zum Eisernen Kreuz II. Klasse •2. Oktober 1939 Spange zum Eisernen Kreuz I. Klasse •15. Februar 1940 Kriegsabzeichen für Minensuch-, U-Boot-Jagd- und Sicherungsverbände •11. Oktober 1940 Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes •1. Juni 1958 (60?) Corona d´Italia - Großoffizierskreuz des Verdienstordens der Republik Itali-en •1961 Kommandeurskreuz der US-Legion of Merit •28. September 1961 Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens derBundesrepublik Deutschland Literarische Werke Ruges – auszugsweiseGedicht: Labskausch ist ein Seemannsessen, drum den Hering nicht vergessen. / Rinderpökel gibt Gehalt, plus Kartoffeln, nicht zu alt. Alles durch den Wolf gedreht, dass es durch die Kehle geht. / Und ´ne Menge Zwiebel macht´s Aroma garnicht übel. Mit Spiegeleiern, gut gebraten, stimmt der Kalorienladen. / Dazu noch die roten Rüben... Verführerisch!... •`Ottern und Drachen - Lustige Treibminen auch für Landratten´, Lustige Geschichten und Anekdotenaus dem Dienst der Minensucher – illustriert, Kleine Feldpost-Reihe, (Verlag Bertelsmann, Gütersloh 1942) vergriffen •`Ausgeschlippt! - Neue Folge `Ottern und Drachen´, Kleine Feldpost-Reihe, (Verlag Bertelsmann,Gütersloh 1943) vergriffen •`In vier Marinen - Lebenserinnerungen als Beitrag zur Zeitgeschichte´ (Bernard und Graefe, 1979) •`Torpedo- und Minenkrieg´ (J.F. Lehmanns, München/Berlin, 1940) •`Entscheidung im Pazifik´ (Dulk Verlag, Hamburg, 1951) •`Der Seekrieg 1939-45´ (Franz Koehler-Verlag, Stuttgart 1954, auch übersetzt im Franz. 1955, imAmerik./Engl. 1957, im Russ. 1957, im Ital. 1961) •`Rommel und die Invasion - Erinnerungen´ (KF Koehler Verlag, Stuttgart, 1959, auch übersetzt im Ital.1963, Franz. 1964, Span. 1964) •`Politik, Militär, Bündnis´ (Stuttgart 1963) •`Politik und Strategie - Strategisches Denken und politisches Handeln´ (Bernard & Graefe Verlag,München, 1967) •`Scapa Flow 1919 - Das Ende der deutschen Flotte´ (Oldenburg 1969, auch übersetzt im Franz. 1969,im Engl. 1973) •`Küstenvorfeld´ (Bernard & Graefe Verlag, München, 1974) •`The Soviets as Naval Opponents´ (Bar Hill/Cambridge 1979, auch übersetzt im Dt. 1981) Bilder