Neuwerk-Dienst
Der Neuwerk-Dienst war über lange Jahre die Reederei für den
Schiffsverkehr zwischen Cuxhaven und der Wattenmeerinsel Neuwerk.
Bereits 1925 bildete sich mit dem
Kutter `Nige Oge´ eine regelmäßige
Linien-Schiffsverbindung zur Cux-
haven vorgelagerten Insel Neuwerk.
Es war ein zu einem Motor-Segler
umgebautes Motor-Fischerboot unter
dem Schiffer Klaus Struck. Nähere
Daten hierzu sind jedoch nicht be-
kannt. Geblieben ist traditionsgemäß und auf Wunsch der Neuwerker Ein-
wohner der Schiffsname, der alte Name der Insel.
Nach dem Zweiten Weltkrieg macht der gebürtige Westfale Werner
Schaal sein Steuermannspatent und siedelt sich in Brunsbüttel an. Er
findet Anstellung bei der dortigen Greifen-Reederei und fährt als Steu-
ermann auf der Elbe-Fähre `Germania´, bis diese aus dem Verkehr ge-
zogen wird.
Auf Anraten und mit wirtschaftlicher Unterstützung durch den Schlepp-
und Bergungsunternehmers Kapitän Otto Wulf macht er sein Kapitäns-
patent und wird, unter der Maßgabe, nach Cuxhaven überzusiedeln,
bei der Cuxhavener `Fährschiff Seelotse GmbH´, der neu gegründeten
Brunsbüttel-Fährgesellschaft der Cuxhavener Seelotsen, als Kapitän
angestellt. Diese sind ihm auch behilflich, in der extrem wohnungs-
knappen Zeit nach dem Weltkrieg, ein Haus in der Badehausallee zu finden, in dem er bis zuletzt wohnhaft
blieb. Hier fährt er zunächst die erste Cuxhavener Nachkriegs-Brunsbüttelfähre `Seelotse II´, später die
Neuerwerbung `Niedersachsen´ und den Neubau `Wiking´.
Als mit den beiden neuen großen Schiffen nach 1960 die `Seelotse II´ für
den Brunsbüttelverkehr überzählig wird, wird sie von der Gesellschaft
während der Sommersaison für den täglichen Liniendienst nach Neuwerk
eingesetzt. Es lässt sich nicht mehr sagen, ob es bis dahin irgendeine
Schiffsverbindung gegeben hat nach dem Krieg. Bereits in der übernäch-
sten Saison macht sich Werner Schaal mit einem eigenen Schiff selbst-
ständig im Neuwerkdienst, da die Lotsengesellschaft diesen nicht weiter
betreiben möchte und die `Seelotse´ verkauft. Wiederum auf Anraten von
Otto Wulf übernimmt er das Schiff jedoch nicht, da dieser das Schiff von
Anfang an für zu klein hält angesichts des sich rasant entwickelnden Tou-
rismus. Daraufhin kauft er ein Ausflugsschiff, die `Christiane´, und über-
führt es vom Neckar nach Cuxhaven. Während des Krieges war das in
Dänemark erbaute Schiff als Minenräumboot gelaufen. Als solches
hatte es einen Voll-Eichenholzrumpf und war mit einer 1.500 PS-Hoch-
leistungsmaschine ausgestattet. 1958 wurde es in den Niederlanden
mit einem kleineren Motor ausgestattet und zum Ausflugsschiff umge-
baut und ging von dort an den Neckar. Mit ihr begründet Schaal am 29.
Juni 1963 seinen selbstständigen Linienverkehr nach Neuwerk unter
dem Reedereinamen `Neuwerk-Dienst´ und mit eigenem Wappen. Das
jedoch das Schiff nicht den Traditionsnamen `Nige Ooge´ führte, nah-
men ihm die Neuwerker übel, war aber dadurch bedingt, dass die Fi-
nanzen für eine Änderung des Schiffsnamens nicht vorhanden waren.
Bereits zwei Jahre später stellt sich mit 15.000 Fahrgästen auch die `Chris-
tiane´ als zu klein heraus und wird verkauft. Es wird ein Fährschiff der Pell-
wormer Dampfschifffahrtsgesellschaft übernommen, die `Pellworm II´,
1930 auf der Kremer Werft in Elmshorn erbaut. Sie fuhr bis dato im
Liniendienst zwischen Pellworm und Husum. Als auf Nordstrand der Hafen
Strucklahnungshörn in Betrieb geht und von dort eine Autofähre eingesetzt
wird, die Pellworm III wird die `Pellworm´ hier überflüssig. Ihr Vorteil liegt
zum einen darin, dass sie als Wattenschiff konstruiert ist und damit eine
Außenwandkühlung für den Motor hat, wie auch die Seenotkreuzer der
DGzRS, dafür aber keinen Kiel. Das versetzt sie in die Lage, bei zu geringem Wasser einfach auf dem
Boden aufzusetzen, ohne auf die Seite zu kippen. Außerdem hat sie eine Eisverstärkung und kann notfalls
auch als Eisbrecher eingesetzt werden. Noch 1960 hatte sie eine neue Daimler Benz-Hauptmaschine mit
330 PS Leistung bekommen.
Dieses Mal bereits zur `Nige Ooge´ umgetauft, wird sie nach Cuxhaven
überführt. Dort wird sie auf der Beckmannwerft für die neuen Erfor-
dernisse umgebaut und ab 4. Mai 1966 wird die Neuerwerbung
eingesetzt. Sie wird im Laufe der Jahre Stück für Stück entsprechend
den Bedürfnissen modernisiert, erweitert und verlängert. Am Ende ist
die `Nige Ooge´ 37 m lang, 7 m breit bei 1,20 m Tiefgang und 180 BRT
und kann bei einer Geschwindigkeit von 11 kn ca. 270 Personen beför-
dern. Die Arbeit verrichten nun zwei 225 PS-Maschinen an 2 Schrau-
ben.
Eine Attraktion der Neuwerk-Fahrten
ist die tägliche Übergabe von Post und Tageszeitung an die Besatzung des
Feuerschiffes Elbe 3.
Neben dem Neuwerk-Dienst unter-
nimmt Kapitän Schaal in Nipptiden, in
denen er aufgrund des zu niedrigen
Wasserstandes Neuwerk nicht anlau-
fen kann, Fahrten in den Nord-Ost-
see-Kanal bis Rendsburg. Ebenso
werden Abend-Tanzfahrten mit Beleuchtung über die Toppen, Fahrten
zu den Seehundsbänken oder Charterfahrten angeboten. Im Winter
fährt die Nige Ooge von Kappeln an der Schlei zu Angelfahrten aus. Ab
1974 wird auf den Heimfahrten mit einem Selbstbedienungstresen der
Verkauf von Artikeln der kleinen und ggf. der großen Butterfahrt ange-
boten.
Mit diesem Schiff führt Kapitän Schaal seinen Neuwerk-Dienst aus, bis er
den Betrieb aus Altersgründen am 31. Oktober 1984 zum Saisonende
abgibt an den neuen Eigner Peter Ahlf. Dieser führt den Liniendienst unter
der Bezeichnung `Reederei Peter Ahlf, Neuwerkdienst und Seetouristik´
weiter und kauft bereits 1985 trotz Warnung von Cassen Eils zusätzlich
den Hamburger Alsterdampfer `Max Brauer´ an, um dann mit beiden
Schiffen den Dienst zu betreiben. Da für beide Schiffe das Fahrgastauf-
kommen bei weitem nicht ausreichte, geht die Linie im Dezember 1986 in
Konkurs und wird an die Reederei
Cassen Eils übergeben, die sie seitdem mit eigenem, neueren Schiff
betreibt.
Hier ist zunächst die `Wappen von Cuxhaven´ zu nennen. Erbaut 1967
auf der Husumer Schiffswerft unter dem Namen `Dybbol´, später `Hol-
tenau´, hatte sie 172 BRT, war 31 m lang und 6,60 m breit, lief 12 Kno-
ten und konnte 250 Passagiere befördern. Bereits 1988 wird sie abge-
löst von der `Flipper´. Diese glänzt mit 406 BRT, 47 m Länge, 8 m
Breite, 900 PS bei 12 kn und 500 Personen Zulassung.
Die `Nige Ooge´ wird für 280.000 DM zwangsversteigert und fällt an die Lago Linien Oy in Turku, Finnland.
Dort tut sie Dienst auf dem See Päijänne.
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1. Oktober 1988: Verkauft an Rederi AB Havsvinden, Tanga für 1,15 Mio. Finnmark. Dort umbenannt in
`Havsvinden´ (übersetzt: Offshore Windenergie). Stationiert wird sie in Kalmar.
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26. Oktober 1989: Verkauft an SITAB AB, Karlstad, für 1,4 Mio. US-$. Umbenannt in `Nige Ooge´.
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16. Januar 1990: Verkauft an Andersson & Nilsson Schiff AB Njurunda für 2,95 Mio. Schwedenkronen.
Umbenannt in `Elvira Madigan´.
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Am 24. September 1997: Verkauft an Restaurant CATTEN AB, Stockholm, für 1,9 Mio. Euro. Dort im
Einsatz als Restaurant und zur Charter.
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28. Juni 1999: Verkauft an Claes Henriksson, Rederi CTV Service AB, Stockholm.
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Am 22. März 2002 bricht im Bällstaviken, einem innerstädtischen Stockholmer Fjord, auf dem Schiff ein
Feuer aus, worauf eine Instandsetzung bei Norrköpings Slip Karlsro AB, Norrköping, erfolgt.
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Im April 2003 wird sie wieder in Betrieb genommen.
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28. Mai 2012 Verkauft an Catherine Jävemyr, Solna. Sie lässt große Teile des Schiffes renovieren.
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15. Mai 2013 Verkauft an Christine und Torkild Akander Michaelsen, Stockholm. Der Unternehmer und
Radiomoderator Akander Michaelsen nutzt das Schiff als Zweitwohnsitz. Es liegt in Stockholm am
Söder Mälarstrand.
Kapitän Werner Schaal, geboren am 24. Mai 1924, stirbt am 26. Oktober 1986 in Cuxhaven an Krebs. In
den etwa 20 Jahren als Reeder kommt es als einzige Unfälle lediglich zu einer Berührung des Leitdammes
und einer weiteren mit einem Poller der Hafeneinfahrt. Den Untergang seiner Linie binnen zwei Jahren
musste er noch miterleben.
Bilder
Folgeschiffe nach dem Ahlf-Konkurs
Verbleib der Nige Ooge
Zur Zeit als Wohnschiff in Stockholm am Söder Mälarstrand
Und noch ein paar Bilder aus der Restaurant- und Charteraera 1997 - 1999
Fotos: Porsmyr Anna / Sundsvalls Museum
Abspann
Weblinks
- Liegeplatz zur Zeit des Brandes und danach
- Liegeplatz derzeit als Wohnschiff
- MS Pellworm III - Erste Fähre zwischen Pellworm - Strucklahnungshörn/Nordstrand
- Reederei Cassen Eils - Nachfolgereederei des Neuwerkdienstes
Dank an:
- Familie Schaal
- Andreas Vogel, Cuxhaven
- Bernd Schmidt, Hamburg
- Christer Samuelsson
- Lars-Åke Gustavsson
- http://www.inselfaehren.de
- Folke Österman - Shipspotting
- Kurt Eisermann, Cuxhaven
- Patrik Nylin - skargardsbatar.se
- Porsmyr Anna / Sundsvalls Museum
- Rudi Nockewell, Cuxhaven
- Schwedische Botschaft, Berlin
Erstveröffentlicht, teilweise: cuxpedia.de