Die Donner-Stiftung am Döser Seedeich
Vieles der Geschichte dieses ehemaligen Kindererholungsheimes der `Ethatsrätin Donner-Gedächtnis-Stif-
tung´ liegt noch im Dunkel der Geschichte. So kann dieser Beitrag einstweilen nur ein Versuch sein, aus den
bekannten Quellen gebotenes zusammen zu fassen.
Geschichte des Hauses
Ab 1890 betreibt der Hamburger Bankier Richard Henry von Donner in Cuxhaven-Döse an der Grimmers-
hörnbucht in einem angemieteten Gebäude ein Kindererholungsheim, das `Donnersche Hospiz´. Alljährlich in
der Monaten Oktober und November stellt er dieses Heim dem Altonaer Kinderkrankenhaus zur Verfügung.
Ein Prospekt der Stadt Cuxhaven aus dem Jahre 1909 spricht vom `stattlichen Altonaer Kinderhospiz´. Es
scheinen beide Bezeichnungen geläufig gewesen zu sein. Eventuell, weil die Familie von Donner aus Altona
stammt oder weil das Heim mit Altonaer Kindern belegt wird.
Vermutlich 1897/1898 wird auf dem ehemaligen Grund des
Zimmermanns W.J. Cordts das Haus am Strichweg 83 / Am
Döser Seedeich 8 gebaut, gemeinsam mit einer Turnhalle und
im Jahre 1910 dem Altonaer Kinderkrankenhaus, zu der Zeit
`Altonaer Kinder-Hospital´, übereignet. Zur Unterhaltssiche-
rung des Hauses, sowie zur Unterstützung der zumeist mittel-
losen Kinder legt von Donner einen Pool von 85.000 Golddol-
lar an, an dem auch ein im gleichen Jahr von von Donner
eingerichtetes Säuglingsheim im Altonaer Mutterhaus beteiligt
ist. Darüber hinaus übernimmt er die nicht unerhebliche
Schenkungssteuer für das Döser Heim. Diese Mittel, gemein-
sam mit dem Döser Anwesen werden 1915 von ihm zusam-
mengefasst zur `Etatsräthin Donner-Gedächtnis-Stiftung´, wel-
che 1917 als Eignerin des Kinderheimes eingetragen und insgesamt dem Hospiz zum Besitz übertragen
werden.
Gleichzeitig baut Donner im Jahre 1910 auf dem Grund des
Milchmanns, Fuhrunternehmers und ehemaligen Landwirts C.
Höpcke am Strichweg 94/Am Döser Seedeich 6 nach Plänen
des Altonaer Architekten Petersen ein größeres, 4-etagiges
Haus ähnlicher Bauweise. Es fungiert zunächst als Hotel
`Reichshof´unter dem Besitzer L.A, Otto Otte. Es ist noch nicht
klar, welcher weiteren Nutzung dieses Haus zugeführt wurde
und wie sich die Besitzzustände darstellen. Aus einer Bemer-
kung der vorhandenen Unterlagen steht jedoch zu vermuten,
dass das neue Haus erstmalig mit dem Saisonbeginn 1912 in
Betrieb ging. 1926 scheinen mehrere Etagen vermietet gewe-
sen zu sein. Ab 1927 liegt eine Eintragung auf die "Conrad Hinrich Donner-Stiftung´ vor.
Anfänglich nach 1890 steht das `alte´ Haus zum Saisonabschluss in den Monaten Oktober und November
exklusiv zwei Gruppen des Altonaer Kinderhospizes zur Verfügung. Möglicherweise rührt hierher die oben
erwähnte Bezeichnung schon 1909 vor der Schenkung. Nach dem Übergang zur Stiftung wird die Belegung
paritätisch geregelt. Das Haus bietet Platz für ca. 30 Kinder, die in der Zeit von Anfang März bis Ende Okto-
ber als geschlossene Gruppen dort für jeweils 4 Wochen gastieren. Streng getrennt sind es zunächst 5 Mäd-
chen- und anschließend 3 Jungengruppen. Zum Vorschlagswesen für die Kindererholungen gehört neben
der Klinik die Schulverwaltung, ev. Stadtmission, Armenverwaltung, diverse Ärzte, die Lungenfürsorgestelle
und der Schularzt. Vorgesehen sind Kinder, die aufgrund der hohen Nachfrage nach bestimmten Kriterien
ausgewählt werden. So werden Kinder mit ansteckenden Krankheiten, Krämpfen, Hauterkrankungen oder
Ungeziefer ausgeschlossen. Ebenso sind Fälle von Lungen-TBC oder Kinder mit reiner Erholungsbedürftig-
keit nicht vorgesehen. Statt dessen soll sichergestellt sein, dass es sich z.B. um Kinder handelt, die als
unterstützende Therapie nach einer Genesung dort wieder aufgebaut werden. Dieses bietet sich aufgrund
des Seeklimas für Kinder mit lymphatischer oder skrofulöser Drüsenschwellung an. Ebenso auch nach
schweren inneren Erkrankungen oder Operationen. Dass das Angebot dem Bedarf bei weiten nicht standhielt
zeigen Zahlen aus dem Jahresbericht 1912: Gemeldete Kinder: 415, berücksichtigt: 240.
Die Maßnahmen an den Kindern umfassten Sport, Gymnastik wie auch
Reigenspiele am Strand oder bei mäßigem Wetter in der Turnhalle. Eben-
so wurden aber auch kalte und warme Bäder angewendet. Tatsächlich
wird den Kuren regelmäßig sowohl aus der Ärzteschaft wie von Seiten
der Eltern merklicher, sichtbarer Erfolg bestätigt. Als ein erhebliches
Merkmal wird die Gewichtszunahme der Kinder bewertet, die sich im
Schnitt bei 2 - 2,5 kg bewegt. Und selbst im Schlechtwetterjahr 1912 wur-
de eine deutliche Hautbräunung verzeichnet.
Die Leitung des angemieteten(?) wie hernach des neuen Hauses, sowie
die Verwaltung der Etatsräthin Donner-Gedächtnisstiftung, oblag Fräulein
Caroline Lüders. Ihr zur Seite standen über längere Jahre die Lehrerin,
Fräulein M. Schmidt, sowie mehrere `Hilfsdamen´. Fräulein Lüders ver-
starb nach 23 Dienstjahren im August 1914 bevor ihr Lebenswerk andere
Wege nahm. Eine Würdigung ihrer Lebensleistung findet sich im Jahres-
bericht von 1913/14. Dort heißt es: "Fräulein Lüders verband mit einem
Sinn für strenge Disziplin einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn,
der sie denen, die sie nur oberflächlich kennen zu lernen Gelegenheit
hatten, manchmal schroff und abweisend erscheinen ließ. War man ihr
erst näher getreten und bemerkte sie ein wahres Interesse für ihre Aufgabe, dann konnte man bei ihr ein
übervolles Maß an Herzensgüte erkennen, mit der sie sich sehr bald die Herzen der ihr anvertrauten Kinder
restlos eroberte. Mit ihrer ungewöhnlichen pädagogischen Begabung wusste sie die im Hause alle Monate
wechselnde oftmals recht widerstrebenden Elemente der Hausordnung einzufügen, und nur ungern, oftmals
unter Tränen, schieden die Kinder am Ende ihres Erholungsaufenthaltes von der ihnen liebgewordenen
Stätte und von deren Leiterin, der sie nicht selten noch nach vielen Jahren als erwachsene Männer und
Frauen Zeichen ihrer Anhänglichkeit gaben."
Die ärztliche Aufsicht über die Kinder oblag dem Cuxhavener Amtsphysikus Dr. Meinhard Schmidt, dem Lei-
ter des Städtischen Krankenhauses, welcher ebenso die Duhner Christian Görne-Stiftung betreute. Jede
Gruppe wurde einmal monatlich von einen Pastor besucht. Das Heim selber wurde ebenfalls einmal monat-
lich durch ein Vorstandsmitglied in Augenschein genommen.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird das Heim sofort von den Kindern geräumt und dem Roten Kreuz
zur Einrichtung eines Lazarettes unterstellt. Da der Krieg Deutschland jedoch nicht erreicht hat, wird das
Heim noch im November 1915 vom Stiftungsbericht nicht ohne Bitterkeit als leerstehend vermerkt. Über die
weitere Verwendung des Heimes ist zunächst nichts bekannt. 1917 dann wird - vermutlich erneut die `Etats-
rätin Donner-Gedächtnisstiftung´ als Eignerin eingetragen.
Im Jahre 1921 gründet Richard Henry von Donner die `Conrad Hinrich Donner-Stiftung´, benannt nach dem
Gründer des Bankenimperiums. Zweck der Stiftung ist die “Förderung mildtätiger und kirchlicher Zwecke und
der Jugendhilfe sowie die Beschaffung und Weiterleitung von Mitteln an andere steuerbegünstigte Körper-
schaften und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die auf kirchlichem, mildtätigem oder gemeinnüt-
zigem Gebiet im Sinne des positiven Luthertums die Werke praktischer christlicher Liebestätigkeit verfolgen.”
Es scheint, dass R.H.v. Donner das Heim wieder zurückgekauft und unter Regie der neuen Stiftung weiterbe-
trieben hat. So wird die - landläufig genannt - Donner-Stiftung im September 1927 als Eigentümer eines Teils
des heutigen Grundstückes eingetragen; der Rest kommt 1933 dazu.
Während der Zeit des Hitler-Regimes musste das Heim mehrfach vor Übernahme geschützt werden. Einem
Schreiben vom 27.9.1938 des Landeskirchlichen Amtes für Gemeindedienst zufolge sollte das Kinderheim
von der Auferstehungsgemeinde St. Pauli an die NSV abgegeben werden. Dies versuchte die Donner-Stif-
tung offenbar zu umgehen, indem sie das Heim einstweilen schloss. Hier gibt es augenscheinlich noch unge-
klärte Besitz-(wechsel)-Verhältnisse. In Ermangelung genauerer Angaben scheinen hier auch Angaben nicht
wirklich dem entsprechenden Haus zugeordnet zu sein.
Da die Auferstehungsgemeinde St. Pauli 1949 aufgehoben wird, muss die Verwendung des Heimes neu ver-
handelt werden. Als Ergebnis mietet die Kirchengemeinde Alt-Cuxhaven das Heim ab dem 1. März 1949 von
der Donner-Stiftung, um es mit finanzieller Unterstützung der Landeskirche Hamburg als Lehrlingsheim der
Stadt Cuxhaven zu betreiben. Bereits 1950 muss die Kirchengemeinde die Verwaltung an das Landeskirch-
liche Amt für Gemeindedienst der Landeskirche Hamburg übergeben. Nach ständigen finanziellen Schwierig-
keiten löst das Amt das Heim am 31. März 1967 auf und gibt das Gebäude an die Donner-Stiftung zurück. In
einem Schreiben vom 3. Januar 1967 heißt es, dass die Donner-Stiftung es wohl in Verbindung mit einem
nahegelegenen Freizeitheim als Erholungsheim zu nutzen gedenkt.
Passend zu dem Datum wird aufgrund sich veränderter Anforderungen im Jahre 1968 die Turnhalle mit der
Adresse Strichweg 83 an die Lebenshilfe Cuxhaven e. V. vermietet, zunächst auf acht Jahre mietfrei. Auf
eigene Kosten wird eine Anlernwerkstatt einrichtet, in der 15 Personen aufgenommen werden können. Die
Gruppe läuft ab da als `Döser Werkstätten´. 1972 dann mietet die Lebenshilfe von der `Etatsrätin Donner-
Gedächtnis-Stiftung´ das ehemalige Kindererholungsheim. das Haupthaus
auf gleichem Gelände (s. 1968) an. Sie richtet darin einen ganztägige
Sonderkindergarten, sowie ihre Geschäftsstelle ein. Vermutlich 1973 wird
wiederum auf eigene Kosten zwischen der Turnhalle und dem Haupthaus
ein 220 m²-Fertigbau mit mehreren Gruppenräumen erstellt mit einer
direkten Verbindung zum Haupthaus. 1974 wird der Zwischenbau neu
aufgeteilt zu zusätzlichen festen Räumlichkeiten für die Erweiterung Döser
Werkstätten, sowie den Sonderkindergarten. Zu Beginn 1987 wechselt die
Anlernwerkstatt in den Werkstatt-Neubau an der Neuen Indusriestraße.
Die Turnhalle wird für 60.000 DM zu einem Wohngruppenhaus für sechs
Wohneinheiten für behinderte Personen umgebaut. Im Sommer 2001
dann wechselt die Töpfergruppe ebenfalls in das neu erbaute Quartier in
der Neuen Industriestraße, die Wohngruppe bezieht ein neues Quartier in
der Stadt. Die Lebenshilfe zieht sich komplett aus dem Standort Strichweg
83 / Am Döser Seedeich 8 zurück.
2002 wird der gesamte Komplex veräußert. Das alte Haus Döser See-
deich 8 ist heute in privater Hand, innen wie außen komplett renoviert und
zu Apartments umstrukturiert. Damit endet praktisch die Epoche der
`Etatsrätin Donner Gedächtnis-Stiftung´ in Cuxhaven.
Das Haus `Reichshof´ war zuletzt als mittlerweile 92-Betten-Haus unter der Trägerschaft der Donner-Stiftung
als Mitglied der `Arbeitsgemeinschaft Hamburger Schullandheime´ im `Verband Deutscher Schullandheime
e.V.´ offen für Klassenfahrten, Freizeiten und Erholungsmaßnahmen gemeinnütziger und kirchlicher Träger.
Aufgrund seiner Schrankenfreiheit war das Haus auch für Behinderte geeignet. Zum Ende 2018 schloss die
Donner-Stiftung auch dieses Heim.
Bilder
Haus Am Döser Seedeich 8 kurz nach der Entstehung und heute
Die Turnhalle heute
Haus Am Döser Seedeich 6, - Reichshof - einst und jetzt
Ein Überblick für den Überblick
Kleine Geschichte der Stifterfamilie - Eine Altonaer Dynastie - Seite 2