Weihnachtsangriff 1914 - Cuxhaven Raid
Der Weihnachtsangriff auf Cuxhaven und den Zeppelinhafen Nordholz am 1. Weihnachtstag 1914 war der
erste Schritt zum heutigen Flugzeugträger.
Vorgeschichte
Im englischsprachigen Raum bekannt geworden als Cuxhaven Raid (Cuxha-
ven-Überfall), war der Weihnachtsangriff geplant worden vom Royal Naval Air
Service. Deutschland war mit seinen hoch fliegenden Zeppelinen in der Lage,
vom deutschen Festland aus die britischen Inseln zu erreichen und dort unge-
fährdet Städte zu bombardieren. Sie flogen in Höhen, die von Flugzeugen zu
der Zeit noch nicht erreicht werden konnten und waren damit unangreifbar.
Dieses brachte Großbritannien in eine doppelte Zwangslage. Weder konnte es
sich verteidigen, noch konnte es die Angriffe erwidern, da seine Flugzeuge
nicht in der Lage waren, Deutschland von der Insel aus zu erreichen. Dieses
Wissen wurde mit dem Fortschreiten der Zeppelinentwicklung zu einem briti-
schen Trauma. So ließen sich verschiedene Zeitungen schon im Jahre 1910
zu Horrorberichten wie diesen hinreißen: "Die Luftschiff-Bedrohung", "Der
schwarze Schatten des Luftschiffes" oder "Deutschland: Herr der Luft". Vom
ansich schon beeindruckenden Zeppelin wurde das Bild einer Armada gewal-
tiger, mit Maschinengewehren, Kanonen und Bomben bestückter Zeppeline
aufgezeigt. Für ein Land, dass sich traditionsgemäß als die unangefochtene
Seemacht sah und diesen Ruf auch durch die Weltkriege verteidigte, konnte
solch eine, ihre Inselfestung bedrohende Entwicklung, nur die schlimmsten Befürchtungen auslösen. Ja, es
gipfelte in Hysterien unter der englischen Bevölkerung, was zu imaginären Zeppelinsichtungen über Sheer-
ness, Portland, Dover und Liverpool führte. Tatsächlich waren aber bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges le-
diglich 26 Zeppeline, zum großen Teil kleinere Versuchsschiffe, hergestellt worden, von denen etliche bereits
verloren gegangen waren. Effektiv kampfbereit waren zu Kriegsbeginn lediglich 7 Luftschiffe, bestückt mit
Maschinengewehren und ohne jegliche Kampf- oder Bombardiererfahrung. Bis dato waren nichteinmal Ziel-
oder Abwurfgeräte konstruiert. So war während der ersten Kriegsjahre die primäre Aufgabe der Zeppeline
die Seeaufklärung. Der Vorteil hierfür lag in der Opperationshöhe. Während von einem U-Boot-Turm ein Um-
feld von ca. 180 km² zu kontrollieren war, ließ sich aus 500 Metern Opperationshöhe bei einer Sichtweite von
85 Kilometern eine Fläche von 22.000 km² erfassen. Die Befürchtungen der Briten stiegen noch, als
Deutschland im August und September 1914 Antwerpen bombardierte.
Um diese sich zunehmend abzeichnende Bedrohung abzuwenden, plante die
Royal Navy in Ermangelung einer gleichwertigen Waffe einen Präventivschlag
neuen Maßstabes. Man entschloss sich zu einem Überfall auf den größten
Zeppelinhafen im Norden Deutschlands in Nordholz unter Einschluss des Ma-
rinestützpunktes Cuxhaven unter der Bezeichnung "Plan y". Hierzu wurden
drei Kanalfähren (HMS Engadine, Riviera und Empress) als Träger für Was-
serflugzeuge umgerüstet. Diese fuhren am 24. Dezember um 5 Uhr von Har-
wich im Verband mit 3 leichten Kreuzern, 8 Zerstörern und 11 U-Booten unter
dem Kommando von Commodore Reginald Yorke Tyrwhitt in die Deutsche
Buch, etwa 20 SM vor die deutsche Festlandküste nahe Helgoland. Squadron
Commander Cecil J. Estrange Malone führte das Kommando über die `Flug-
zeugmutterschiffe´, die Flugzeuge und den Kampfeinsatz, die U-Boote befeh-
ligte Commodore Roger Keyes. Dort wurden die Flugzeuge am Morgen des
25. Dezember um 6 Uhr mit Hilfe von Ladebäumen zu Wasser gelassen, be-
waffnet jeweils mit drei 20-Pfund-Bomben und
dem Auftrag zur Erkundung militärischer Ein-
richtungen, sowie deren Bombardierung in Cux-
haven und Nordholz. Bevorzugt ging es um die Zerstörung der Zeppelin-
Hallen, darunter die drehbaren Doppelhalle `Nobel´, wodurch die darin
geparkten Zeppeline gleichfalls zerstört worden wären. Möglicherweise auch
das dort angesiedelte Gaswerk zur Erzeugung des Traggases für die Luft-
schiffe.
Angriff
Der Angriff selber wird leider in der Literatur unterschiedlich wiedergegeben. So stellt das Luftschiffermaga-
zin von 1984 den Beginn so dar: Am 24. Dezember war der niedrigen Bewölkung wegen ein Einsatz der
Beobachtungs-Zeppeline nicht möglich, sodass der Verband unbemerkt bis Helgoland vorstoßen konnte. Am
Morgen des 25. wurde der britische Verband von Helgoland aus gesichtet, worauf die gesamte Deutsche
Nordseeküste alarmiert wurde. Um 7.00 Uhr begann das Aussetzen der Flugzeuge, von denen um 8.00 Uhr
sieben in der Luft waren. Zwei fielen wegen Motorstartproblemen aufgrund der Kälte (~ 0° C) aus. Aufgrund
des Alarms starteten um 7.31 Uhr und 8.49 Uhr die beiden Zeppeline L6 und L5 von Nordholz. Um 9.12 Uhr
sichtete L5 drei feindliche Flugzeuge über der Wesermündung, die telegraphisch weitergemeldet wurden.
Um 9.20 Uhr wurde in Nordholz ein Flugzeug in 300 Meter Höhe gesichtet, was aber mit MG-Feuer abge-
drängt werden konnte, sodass weder die Halle noch das Gaswerk getroffen wurden, womit der Angriff auf
Nordholz beendet war.
Um 8.30 Uhr wurde L6 über Helgoland angeblinkt, dass der Verband sich in Richtung Nord zu Ost abgesetzt
hatte. Tatsächlich entdeckte L6 ihn 15 Seemeilen nördlich Helgoland.
Dagegen wird der Angriff in der englischen Schreibweise so vermerkt:
Von neun mitgebrachten Wasserflugzeugen kamen um 7.10 Uhr sie-
ben in die Luft, während der Schiffsverband sich nach Westen absetz-
te. Erstaunlich dabei war, dass der Verband trotz gewarnter deutscher
Stellen und ausgelegter Patrouillenboote während dieses Vorganges
nicht entdeckt wurde. Einzig das Deutsche Schlachtschiff `Mecklen-
burg´ ortete und beschoss unter dem Alarmeindruck ein aus einer
Nebelbank hervortretendes Schiff, dass der Lärm der Breitseite über
die gesamte Elbmündung tönte, doch stellte sich schnell heraus, dass
es sich um einen befreundeten Fischtrawler handelte. Erst um 7.30 Uhr entdeckte das Deutsche U-Boot `U
6´ den Verband und gab eine Alarmmeldung durch, die von der deutschen Admiralität als feindlicher Aufklä-
rungsversuch gedeutet wurde. Das deutsche Vorpostenboot "Wega", welches fünf feindliche Flugzeuge ent-
deckt hatte, verfügte über keine Funktelegrafie (F.T.), sodass der Vorpostendampfer "Seefahrt" zum Feuer-
schiff ELBE 1 beordert wurde, von dem aus per F.T. eine Meldung nach Helgoland weitergeleitet wurde. Von
den in Nordholz zur Aufklärung aufgestiegenen Luftschiffen L5 und L6 entdeckte L6 gegen 9 Uhr über der
Außenweser drei Doppeldecker und warnte per Funk den Stützpunkt in Nordholz.
Mit dem Abflug der Flugzeuge um 7.10 Uhr begann der Angriff am 1. Weihnachts-
tag. Zu leiden hatte er unter Wolken und Nebel, die die Flieger zwangen, tiefer zu
fliegen, was sie wiederum in die Erreichbarkeit der nun vorgewarnten leichten Flak
brachte. So richtete der Angriff in beiden Zielgebieten nur geringen Schaden an.
Lediglich die Basis in Cuxhaven wurde leicht getroffen, allerdings mehr per Zufall
durch einen orientierungslosen Piloten, wie sich aus britischer Quelle ergibt.
Da also in Cuxhaven und Nordholz durch die starke Abwehr kaum Möglichkeit be-
stand, aus den Wolken zu tauchen, wurden auf dem Rückweg zum Verband noch
verschiedene Ziele belegt. So wurden noch Wilhelmshaven, eine Basis für Was-
serflugzeuge bei Norderney, sowie die leichten Kreuzer `Graudenz´ und `Stral-
sund´ mit Bomben belegt.
Nach etwa zweieinhalb Stunden war der Angriff been-
det; um 9.35 Uhr verließ das letzte Flugzeug das Fest-
land in See. Zwei oder drei Flugzeuge (hier differieren
die Angaben) stießen direkt zum schwimmenden Verband und wurden wieder an
Bord gehievt. Drei (vier) weitere mussten wegen Treibstoffmangel vor Norderney
wassern, wo die Piloten von U-Booten und Geleitschiffen aufgenommen wurden.
Die Flugzeuge selber wurden versenkt. Die 7. Maschine wurde als vermisst ge-
meldet. Um 11.45 Uhr gab Kommodore Tyrwhitt Befehl zum Rückzug. Während
wegen des vermissten Piloten noch einige Kreuzer bis zum Nachmittag blieben,
trat um 20 Uhr auch das letzte U-Boot den Rückweg an.
Der vermisste Pilot, Flt-Cdr. Francis E.T. Hewlett, hatte 8 SM vor Helgoland we-
gen Motorschaden wassern müssten. Er wurde jedoch von dem niederländi-
schen Trawler `Marta van Hattem´ gefunden. Nach dem vergeblichen Versuch,
den Motor zu reparieren, wurde auch dieses Flugzeug versenkt, der Pilot aufge-
nommen und nach Fangende zu Neujahr nach Ijmuiden (Holland) verbracht. Dort bekam er ein Glück-
wunschtelegramm von englischen König Georg V. Von dort wurde der Pilot am 2. Januar 1915 über Hook
van Holland nach England ausgeschifft. Somit hatte es keine Verluste an Menschen zu beklagen gegeben.
Geschädigt durch Kampfhandlungen wurde in dem ganzen Unternehmen hauptsächlich der deutsche
Schlachtkreuzer `SMS Von der Tann´, von Wilhelmshaven auslaufend, in einer anschließenden Seeschlacht.
Eine (in der Literatur umstrittene) Rolle spielte der deutsche Zeppelin `L6´, der gegen 9.15 Uhr auf See den
Schiffsverband angegriffen haben soll. Hierzu nachfolgend der Bericht des Kommandanten des L6, Oblt.z.S.
von Buttlar, aus seinem Buch `Zeppeline über England´:
"In der Morgendämmerung passierten wir mit nördlichem Kurs Helgoland. Bald sahen wir Amrum und dann
voraus offenbar feindliche Schiffe. Wir hielten auf diese Schiffe zu, und je näher wir kamen, umso deutlicher
konnten wir durch unsere Gläser beobachten, dass wir drei Dampfer vor uns hatten, die Dwarslinie fuhren
und scheinbar Minen legten.
Unsere Fahrhöhe betrug etwa 300 m. Die Nordsee war spiegelglatt. Sichtweite nach Norden bei kalter, klarer
Luft ausgezeichnet, etwa 30 Meilen, nur nach Nordwesten war es diesig. Aus dieser Ecke schien schlechtes
Wetter herzukommen.
Wir sahen jetzt deutlich die Dampfer. Schnell setzte ich einen Funkspruch auf, und gerade als wir das Flagg-
schiff des Befehlshabers der Aufklärungslinie anrufen wollten, brannte die Erregermaschine der Funkstation
durch und wir konnten unseren Funkspruch nicht absetzen. Da kam, ein Deus ex machina, an Backbord von
uns ein Seeflugzeug, scheinbar von der Flugstation Helgoland kommend, auf. Ich liess es mit dem Schein-
werfer aus der Führergondel anmorsen. Es schoss einen grünen Stern "Verstanden" und wir übermittelten
ihm den chiffrierten Funkspruch für den Befehlshaber der Aufklärungsschiffe, mit der Bitte, schnellstens kehrt
zu machen und den Funkspruch über die Küstenfunkstation Helgoland an das Flaggschiff abzugeben. Es
funktionierte tadellos. Schon zwanzig Minuten später hörte unsere FT-Station, wie Helgoland unseren Funk-
spruch an die "Seydlitz" abgab.
Inzwischen waren wir immer dichter an die englischen Minenleger herangekommen. Ich war langsam auf
1200 m hochgegangen. Als ich auf einen der drei Dampfer, der stark zurückgeblieben war und scheinbar
Maschinenpanne hatte, losfuhr, tauchten im Westen zwei englische kleine Kreuzer und acht Zerstörer auf,
die mit grosser Fahrt auf uns und ihre drei Minenleger zuhielten.
Schon damals besassen die englischen leichten Streitkräfte Ballonabwehrgeschütze. Sie hatten das Feuer
aber noch nicht auf uns eröffnet, und ich ging mit allen drei voll laufenden Motoren auf das Opfer los, das wir
uns ausgesucht hatten. Der Wachoffizier stieg in den Laufgang, zog das Taschenmesser und fing an, an der
Aufhängevorrichtung der Bomben, der einfachsten die es wohl gab, herumzusäbeln und schon fiel die erste
Bombe aus zwölfhundert Meter Höhe herunter. Wir hingen mit dem ganzen Oberkörper aussenbords und
mussten leider feststellen, dass die Bombe mindestens hundert Meter zu kurz ins Wasser aufgeschlagen
war.
Unser Dämpfling unten hatte es aber wenigstens mit der Angst bekommen. Er sowohl wie seine beiden vor
ihm weglaufenden Kameraden steuerten unentwegt Zickzackkurs, weil sie einen weiteren Bombensegen
von oben erwarteten. In diesem Augenblick blitzte es auf den beiden Kreuzern auf und kurz darauf standen
zwei kleine Schrapnellwolken etwas verlassen, aber gar nicht so weit von uns in der Luft. Es war Zeit abzu-
laufen, denn wir gaben mit unserem Riesenschiff eine beängstigend grosse Fläche ab. Als die Kreuzer sa-
hen, dass sie uns nicht erreichen konnten, drehten sie nach Westen ab. Wir zurück ... Ich ging auf sieben-
hundert Meter und die nächste Bombe fiel. Wir starrten hinab. Achtzig Meter vor dem Bug explodierte sie.
Aber da standen auch schon wieder die Schrapnellwolken in der Luft; allerdings reichlich weit. Doch schon
die nächste Salve lag so nahe, dass eines der Wölkchen, als es sich langsam löste, mit seinen feinen Nebel-
fetzen über die vordere Gondel trieb.
Über uns stand, keine hundert Meter, eine Wolkenbank. Rasch hoch und in diese hineingeschlüpft. Ich stieg
auf zwölfhundert und nahm südlichen Kurs. Die Wolke bekam Fransen, wurde dünner und verschwand, und
unten unser havarierter Feind.
Die dritte und letzte Bombe, mehr hatten wir nicht, fiel. Sie lag zwanzig Meter vor dem Dampfer.
Ich sah deutlich durchs Glas wie die Besatzung unten mit Gewehren auf uns schoss.
Da standen auch schon wieder die Schrapnellwolken um uns. Erst weit, dann näher .. wir verschwanden
wieder in unserer Wolke.
Noch einmal ging ich hinab. Aber ich war schon auf siebenhundert und noch immer stak ich in der Wolke.
Hatte die sich auf die Nordsee herabgesenkt? Sechshundert .. Fünfhundert .. Dreihundert .. Noch tiefer..
Endlich bei hundertfünfzig wurde es heller und da sahen wir neben uns, ein paar Meter weit, den Dampfer.
Ich stürzte an das Maschinengewehr in der Führergondel, der Wachoffizier kletterte wie rasend auf die
Plattform, der leitende Maschinist ans Gewehr in der achteren Gondel. Aus drei Maschinengewehren schüt-
teten wir je einen Gurt auf das Deck des Dampfers. Es war im Augenblick gesäubert. Aber die beiden dicken
Schiffe schossen wieder und wir tummelten uns, wieder zu "nebeln".
Das Luftschiff wurde aber immer schwerer. Hatten wir doch einen Treffer erhalten? Eine Inspektion der
Zellen ergab, dass diese alle gleichmässig hochhingen und keine auslief. Es wurde Wasserballast abge-
worfen. Ich steuerte in die Jademündung, um über dem Flaggschiff eine ausführliche Meldung abzuwerfen.
In fünfhundert Meter Höhe fuhren wir bei klarstem Wetter. Aber ich hatte keinen Wasserballast mehr. Das
Schiff wurde immer schwerer. Ich zerbrach mir den Kopf was geschehen war. Der erste Falltank mit dreihun-
dert Kilo Benzin musste abgeworfen werden. Diese Falltanks waren bei den Schiffen der damaligen Kon-
struktion seitlich im Laufgang angebracht. Man löste den Befestigungsdraht und stiess das Fass dann ein-
fach durch die Hülle, die an dieser Stelle nur verklebt war.
"L 6" war dadurch leichter geworden. Ich ging auf zwanzig Meter Höhe herunter, steuerte das Flaggschiff an
und warf den wasserdichten Beutel, der durch einen schwarz-weiss-roten Wimpel mit Kriegsflagge beson-
ders auffällig markiert war auf das Deck von SMS "Seidlitz". Dann gondelten wir mit Kurs auf Nordholz.
Immer wieder musste ein Benzinfass abgeworfen werden. Es gelang uns, das Schiff bis zur Landung, die am
Nachmittag gegen 5 Uhr erfolgte, so zu erleichtern, dass die Landung ohne Bruch vonstatten ging. Ballast
hatten wir allerdings keinen mehr an Bord.
Nachdem das Schiff in der Halle lag, wurde es genau untersucht. Es war nicht festzustellen, warum das
Schiff so schwer geworden war. Wir standen vor einem Rätsel.
Nun wurde regelmässig nach einer Fahrt Gas nachgefüllt. Durch die
Luken im Laufgang wurden die dicken Gasschläuche in die Zellen
eingebunden und dann das Schiff aus dem Gasometer der Gasanstalt
so lange gespeist bis die Zellen wieder prall waren. Während der
Nacht stellte der Segelmacher des Schiffes fest, dass die Zellen zwei
bis drei Prozent Gas verloren hatten. Er nahm sich eine Zelle vor und
untersuchte sie genau und fand lauter kleine Schitte von etwa 4 - 5 mm
Länge.
Am nächsten Morgen hatte "L 6" mindestens 15 Prozent Gas verloren
und es wurden über 600 Schnitte gezählt."
Epilog
In der deutschen Literatur hat es das Cuxhaven-Unternehmen ebenso nur zur Randbemerkung geschafft,
wie in den Kriegstagebüchern der Cuxhavener Kommendeure der Küstenbatterieen. Hier findet sich das
Geschehen wie folgt wieder:
•
Datum: 25. Dezember 1914, Wetter: dichter Nebel, Wind Süd 3, ruhige See.
•
9.25 Uhr: Alarm durch Wachzentrale. Nachricht von Kommandantur an alle Werke, 6 feindliche Flieger,
Kurs auf Nordholz, L5 hat feindliche Flugzeuge gesichtet, Flugzeug wird beschossen.
•
9.45 Uhr: An alle Werke gegeben: Kommandantur befielt: “Kein Alarm anschlagen. Leute auf der
Straße anhalten”.
•
10.55 Uhr: Nachricht: “IV. Halbflottile meldet, 10.35 Uhr feindliche Flieger über der Elbe”.
•
11.20 Uhr: Nachricht: “Feindlicher Flieger hat 2 Bomben in Nordholz geworfen. Keine Beschädigungen.
Flieger beschossen. Bekanntgabe an Bevölkerung und nach Auswärts vorläufig verboten”.
•
11.25 Uhr: An alle Werke: “Kommandantur befielt: Den Deich und Gelände vor dem Deich in der Nähe
der Befestigungswerke sofort von allem Publikum räumen lassen und absperren”.
•
11.45 Uhr: Nachricht: “Das Erkennungszeichen für englische Flugzeuge ist wahrscheinlich ein schwar-
zer Ring”.
•
14.36 Uhr: An alle Werke: “Kommandantur befielt Alarmzustand aufhören, gewöhnliche Kriegswache”.
In England dagegen nahm das Ereignis einen hohen Stellenwert ein. So sprachen Teile der englischen Lite-
ratur von famos, brilliant oder furious. Tatsächlich war die Wirkung dieses Schlages in der Bevölkerung nicht
zu verachten. Man hatte bewiesen, dass Deutschland nicht unangreifbar war und dass es Mittel gegen die
"Superwaffe" Zeppelin gab, auch wenn eine direkte Bekämpfung in der Luft noch auf sich warten ließ bis et-
wa Mitte des Krieges. Danach wurden Zeppelineinsätze zunehmend zum Himmelfahrtskommando. So rech-
nete man gegen Kriegsende mit einer Überlebensrate von maximal zwei Einsatzfahrten für eine Zeppelin-
mannschaft.
Hingegen war der militärische Erfolg dieses wegen widrigen Wetters erst im fünften Versuch erfolgreichen
Weihnachtsüberfalles, übereinstimmend nach deutschen und britischen Quellen, eher bedeutungslos. Je-
doch zeigte die strategische Bedeutung und die Machbarkeit dieser neuen Waffe auf. Es war der erste stra-
tegische Einsatz eines `Flugzeug-Mutterschiffes´ unter Kriegsbedingungen, sowie der erste gemeinsame
Einsatz von Über- und Unterwasserschiffen. Die weitere Entwicklung führte dann am 19. Juli 1918 zum
ersten Einsatz des zum Flugzeugträger umgebauten Kreuzers HMS `Furious´ mit Startbahn und Radflug-
zeugen. Ziel des Angriffes war der Zeppelinplatz bei Tondern. Nicht eines der acht eingesetzten Flugzeuge
landete wieder auf dem Flugzeugträger.
In Deutschland löste dieser Angriff im Nachhinein mehrere Maßnahmen aus. Ein Teil der Cuxhavener Flotte
wurde von der deutschen Admiralität in den Kaiser-Wilhelm-Kanal verlegt. Auf den Luftschiffhafen Nordholz
wurde eine kleine Staffel von 6 Jagdflugzeugen verlegt und es wurde eine Boden-Luftabwehr eingerichtet,
wozu auch die durch den Schriftsteller Joachim Ringelnatz gekannt gewordenen Stellungen Seeheim und
Nordheim in Sahlenburg gehörten.
Dieser "Cuxhaven Raid" war der Probelauf zu allein acht weiteren ähnlich geführten Überfällen im Frühjahr
1915. Für Cuxhaven war es der einzige Luftangriff des 1. Weltkrieges, während der Luftschiffhafen Tondern
mehrfach angegriffen wurde. Ebenso wurden vor und nach dem Cuxhavenangriff vom französischen oder
holländischen Festland aus die Inlandslufthäfen Düsseldorf, Köln und Friedrichshafen angegriffen.
Nachsatz
In einem der drei Flugzeuge, die direkt zu den Schiffen zurückkehrten,
nahm als Beobachter der Schottische Schriftsteller Robert Erskine Chil-
ders teil, der vor dem Krieg die Nordeutsche Küste bereist und die
Piloten beraten hatte. Er schrieb 1903 den Roman `Riddle of the Sands´,
der unter dem Titel `Das Rätsel der Sandbank´ auch ins Deutsche über-
setzt und verfilmt wurde. Er gilt als einer der ersten Spionageromane und
ist stark autobiographisch. Aufgrund des Romanes richtete laut Winston
Churchill die Britische Admiralität die Flottenbasen Invergorden, Firth of
Forth und Scarpa Flow ein. Im Gegenzug ließ die Deutsche Abwehr die
bei Norden angelieferten Steine zur Befestigung des Deichverteidigungs-
weges entfernen, um zu vermeiden, dass englische Landungstruppen
sich dahinter verschanzen und die Küstenfunkstelle Norddeich Radio
einnehmen könnten.
Bilder
Sowohl bei den deutschen wie den britischen Bilddarstellungen fällt aus der heutigen Sicht die patriotisch-
überzogene Aktionsdarstellung der Kämpfe auf.
Mit einem Klick auf den speziell für Cuxhaven gegossenen Sieldeckel kann ein
Kurzfilm über praktische Übungen mit dem zum Flugzeugmutterschiff umfunktio-
nierten Fährschiff `HMS Engadin´ im Vorfeld des Weihnachtsangriffes aufgerufen
werden.
Abspann
Quellen:
•
Ian Castle: The Zeppelin Base Raids - Germany 1914
•
Imperial War Museums
•
Valentin Izagirre
•
Joachim Pattberg: Marinefestung Fort Kugelbake, ISBN 3-929337-00-2
•
Luftschiffharry
•
Marine-Luftschiffer-Kameradschaft IV/1984
•
Naval-History-Net
•
Oblt.z.S. von Buttlar: Zeppeline über England
•
The Baldwin Project
•
The Illustrated War News
•
Timothy J. Kutta: Britain’s Bold Strike from the Sea in War and Game - Wargaming and History, 25.
November 2009
•
Whitehouse, A.: The Zeppelin Fighters
•
Wikimedia Commons
•
Wikipedia
•
WORLD WAR 1 at SEA
Erstveröffentlicht, teilweise: cuxpedia