Alte Liebe - das heimliche Wahrzeichen Cuxhavens
Fragt man irgendwo in Deutschland je-
manden nach einem Begriff für Cuxha-
ven so bekommt man in der Mehrzahl
der Fälle noch vor der Kugelbake die
`Alte Liebe´ genannt. Wer einmal im
Leben in Cuxhaven war, der war an
der Alten Liebe und nimmt diesen
Eindruck mit.
Was ist die Alte Liebe?
Nein, nicht die Aussichts-Plattform für den freien Blick über das Mündungsdelta der Elbe oder den
Schiffsverkehr aus der Nordsee nach Hamburg oder durch den Nord-Ostsee-Kanal in die Ostsee. Auch nicht
das Anlegebollwerk für den touristischen Seebäderverkehr zu den Nordseeinseln. In seinem Urgedanken ist
das, was sich heute Alte Liebe nennt, eines von mehreren Stack-Bauwerken im Cuxhavener Raum zur
Sicherung der Küste gegen weiteren Landabbruch durch die stetig fortschreitende Verlagerung der Elbe in
Richtung des Festlandes.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts verlief das Flussbett der Elbe etwa 2 km weiter nord-östlich, also jenseits
ihres heutigen Flussbettes. Hatte man in den Jahren 1568/69 erstmals dieses heute weitestgehend verlore-
ne Gebiet eingedeicht, so wurde dieser `Nye Dik´ bereits im Jahre 1570 von einer Sturmflut großenteils zer-
stört. Damit begann sich erstmals die Flussverlagerung in Richtung des heutigen Cuxhaven anzukündigen.
Trotz vieler Mühen und unsäglichen Opfern hat sich das Flussbett in den folgenden 100 Jahren bis zur heuti-
gen Lage vorgearbeitet.
Nachdem sich alle Versuche, weiteren Landverlust zu unterbinden, indem
man die verbliebene Landspitze mit Steinschüttungen und mit hölzernem
Buschwerk gefüllten Palisaden zu sichern suchte, als vergeblich bewiesen,
schaltete sich 1725 endlich die damalige Landesherrschaft Hamburg in die
Maßnahmen ein. Grund dafür war ein reges Interesse Hamburgs an dem
zu der Zeit noch recht bescheidenen Hafen. Auch dieser lag einhundert
Jahre zuvor noch 2 Kilometer weiter draußen. Mittlerweile war er jedoch
analog zum zunehmenden Schiffsverkehr auf der Elbe gewachsen und zu
einem Not- und Überwinterungshafen geworden für den Fall, dass die Süß-
wasser führende Elbe gefroren war. Und hiervon wiederum profitierten die
Hamburger Schiffer.
Nach einer Ausarbeitung des Bauinspektors Meyer und des Artillerie-
leutnants Hasenbank, überarbeitet vom Kaiserlichen Artillierie-Haupt-
mann Spanninger, werden 1732 an der Stelle drei alte, mit Steinen
verfüllte Kähne versenkt und mit einer umlaufenden Palisade gesi-
chert. Da nach kurzer Zeit die Boote auseinander brachen, verfüllte
man daraufhin den gesamten palisadengeschützten Raum mit Stei-
nen, sodass sich ein fester Steindamm ergab. Dieser zunächst
schlicht `das Haupt´ genannte Damm hatte erstmalig eine massive
Standhaftigkeit gegen Elbwanderung, Sturmfluten und Treibeis und
konnte somit an dieser Stelle den weiteren Landabbruch stoppen. In
späteren Jahren überarbeitet, verlängert, verstärkt, leicht versetzt und
erhöht, existiert er noch heute und ist Zugang zum später entstandenen Holzbauwerk, der heutigen Alten
Liebe.
Dieses entstand in seiner ersten
einfachen Form im Jahre 1785. Es ist
ein einfaches begehbaren Holzpfahl-
bollwerk mit einem 1788 nachträglich
vom Wasserbaudirektor Richard
Woltman errichteten seitlichen Flügel,
der die Hafeneinfahrt sichern sollte.
Im Jahre 1839 dann wird das Bau-
werk zu einer quer zur Elbe verlau-
fenden Anlegebrücke erweitert. Damit
ist die Alte Liebe erstmals zu dem geworden, was sie noch heute verkörpert. Baumeister soll hier der
Schiffbaumeister Peter Steer gewesen sein. Es ist nicht klar, ob dieses als gesichert anzusehen ist, da Steer
im auch für das damalige Ritzebüttel zuständigen Einwohnerverzeichnis der Stadt Hamburg als erster
Leuchtturmwärter des 1802/1803 errichteten Hamburger Leuchtturmes
eingetragen ist. 1864 wird noch hafenseitig ein ebenerdiger Zugang zur
Alten Liebe gelegt. Nach mehreren weiteren Umbauten und Erweite-
rungen, letztmalig 1981/82, hat die Alte Liebe damit ihre heutige zumin-
dest deutschlandweit bekannte Bauform erreicht. Erstmals in ihrer
Geschichte besteht der Unterbau nicht aus Holzstämmen sondern aus
Beton. Eine Spitze eines bei der letzten Erneuerung aus dem Elb-
schlamm gezogenen Rammpfahles wurde, mit einer Erklärungstafel
versehen, auf dem Damm aufgestellt. Als letzte Maßnahme wurde im
Jahre 2004 noch die oben erwähnte ebenerdige hölzerne Laufbrücke
entfernt, sodass der Damm heute, wie zu Beginn, einziger Zugang ist.
Markant an der neuen Alten Liebe ist die neue elbaufwärts gerichtete Mole zur Eingrenzung der Hafenein-
fahrt, nötig geworden durch den Abriss der alten Seebäderbrücke. Sie ist heute sommerlicher Liegeplatz des
Museums-Feuerschiffes Elbe I.
Woher hat die Alte Liebe ihren Namen?
Hier gibt es bis heute keine letztgültige Klarheit. Bereits 10 Jahre nach seiner Erbauung vermerkt der
damalige Amtmann und Dichter Barthold Hinrich Brockes im Jahre 1740 in einem Gutachten: "... von dem
großen Bollwerk, insgeheim die Alte Liebe genannt..."
Gesichert sind die drei oben erwähnten, versenkten Schiffe. Eines
derer, das exponiertere, trug den Namen `Liebe´ oder `Die Liebe´.
Hierzu soll der oben genannte Spanninger genannt werden, der in
einem Gutachten vom 17. Mai 1733 schreibt: "Auf die gleiche
Weise, wie das vorderste Schiff, die `Liebe´, weggebrochen, sein
Kiel im Grund liegt und darauf die Felsen (Steine) in ihr gehöriges
Lager gelegt, so muss man auch mit den beiden anderen, nicht
recht eingesenkten Schiffen verfahren." Umgangssprachlich lässt
sich problemlos eine Herleitung von dem `alten Schiff Liebe´ zu
`die alte Liebe´ nachvollziehen.
Ein weiteres Schiff, das hafenseitig gelegenere der beiden übrigen,
soll den Namen `Olive´, `Oliva´ oder `Olivia´getragen haben. Dieses
ist jedoch nicht sicher belegt. Hier schließt sich gleiche Überleitung
von ´Olive` über `o Leev´ ins hochdeutsche `alte Liebe´ nahezu aus,
da lt. dem Cuxhavener Heimatforscher Walter Höpke ein `o´ für alt
im hiesigen niederdeutschen Sprachgebrauch nicht üblich ist. Man
sagt ole Fru (alte Frau), nicht aber o Fru. Andererseits würde aber
laut Höpke kein echter Cuxhavener `ole Leev´, sondern schlicht
`an´e Oliv´ (an der Alten Liebe) oder auch `Oliev´ sagen. Mithin
vermutet er eine andere Bedeutung des Olive, nicht aber Alte Liebe.
Hierzu führt er einen
Eintrag des Cuxhavener Krämers Carsten Korts aus dem Jahre
1803 in seiner Chronik, dem `Kriegstagebuch aus der Franzosen-
zeit´, an. Dieser war wohnhaft am Slippen/Ecke Neue Reihe. Er
schreibt in Hochdeutsch: "Da sich die Franzosen hier vor den
Engländern und vor ein Überfall sehr fürchteten, so wurde hier im
Außendeich, zwischen das sogenannte Tonnhaus und die Olieve
eine Battery angelegt." Oliven und Olivenöl waren dem Krämer
Korts durchaus bekannt, dass er jedoch Olieve schreibt, wenn er
Olive meint, ist nicht anzunehmen. Also kann angenommen wer-
den, dass der reale Schiffsname `Olieve´ war und es sich besten-
falls um eine irrtümliche Übertragung von `Olive´ zu `ole Leev´ und
damit zum hochdeutschen alten Liebe handeln. Soweit Höpke.
Mithin lässt sich wohl mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass der Schiffsname `(Die) Liebe´ Namensgeber der
Alten Liebe ist.
Noch eine andere Quelle liegt vor, die jedoch eher dem Bereich der Sage zuzuschreiben, deswegen aber
nicht weniger eindrucksvoll ist.
"Else und Lorenz waren Freunde von Kindheit an und nun, fast erwachsen,
war es für sie klar, dass sie heiraten würden. Die Väter starben, die Mütter
lagen im Streit und untersagten den Beiden die Verbindung. Trotzdem
hielten sie zusammen. Um ihrer beider Wunsch zu ermöglichen fuhr Lorenz
zur See, doch trotz aller Anstrengung reichte es gerade, um sich und seine
Mutter zu ernähren.
Die Zeit verging, Elses Jugend verging ebenso wie die des Lorenz. Dann
lag Elses Mutter im Sterben und, weich geworden durch das Alleinsein ihrer
Tochter, die ebenso wie Lorenz nichts von ihrer Liebe verloren hatte, gab
ihren Segen zu beider Verbindung. Ebenso die Mutter des Lorenz. Beide
vermählten sich und verlebten einen gemeinsamen Winter. Im Frühjahr fuhr Lorenz wieder zur See. Am Tag,
den beide für seine Rückkehr vorgesehen hatten, ging Else an den Strand, um nach seinem Schiff
Ausschau zu halten. Nach langem Warten erschien es mit Lorenz, der vorn am Bug stand und winkte. Da
traf das Schiff eine Seitenbö und eine Sturzsee spülte ihn von Bord. Sie sah noch kurz seinen Kampf mit der
See, dann sah sie nichts mehr. Am Tag darauf wurde Elses Leichnam von einem Fischer gefunden.
Nach ihrer Beerdigung erschien ein Mann und erzählte, dass Lorenz´s Schiff am Tag und zur Stunde, als
sie ihrem Bräutigam zuwinkte, mit Mann und Maus vor Helgoland gesunken sei.
Die Stelle, an der sich Else zu ihrem Bräutigam gesellte, wird im Andenken an sie die Alte Liebe genannt."
Bedeutung der Alten Liebe
Seit ihrer Einrichtung im Jahre 1839 bis zur Einstellung am 30. Sep-
tember 2006 war die Alte Liebe Landungsbrücke für den touristischen
Seebänderverkehr zwischen Hamburg und verschiedenen Nordseein-
seln Nord- und Ostfrieslands, sowie Helgoland, nach dem 2. Weltkrieg
dann ausschließlich zur einzigen Deutschen Hochseeinsel Helgoland.
Danach wurde der Seebänderverkehr in den `Alten Hafen´ verlegt. Not-
wendig geworden waren diese Veränderungen durch die kontinuier-
liche Abnahme des Seebäderverkehrs, was nicht zuletzt auch mitbe-
gründet war durch den Wegfall der allseits beliebten Butterfahrten.
Führten nach dem Krieg ganze Busladungen mit Fahrgästen dazu,
zunehmend größere Schiffe einzusetzen, so hat sich nun die Nachfra-
ge an Passagen etwa halbiert. Somit kommt der Alten Liebe heute bis
auf Ausnahmen nur noch der Part der zweietagigen Aussichtsplattform zu. Dieses ermöglichte erstmalig
auch die Anbringung eines flussseitigen Geländers zur Sicherheit der Personen.
Erwähnt werden sollte aber auch noch die Kugelbakefähre, die in den Jahren 1911 bis um 1990 mit ihren
Barkassen einen Personentransfair zwischen der Innenseite der Alten Liebe und der Kugelbake mit einem
tideabhängigen Zwischenstopp bei den Seeterrassen anbot.
Bilder zur Alten Liebe
Hinweis: Life-Webcam zur Alten Liebe
Abspann
Dank an
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Berta Kohfahl-Münker: Cuxhaven - Ein Heimatbuch, 1938
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Bundesarchiv
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Galerie Wöbber, Cuxhaven
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Internet
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Karl. B. Kühne: Cuxhaven - Der lange Weg zum Universalhafen, ISBN 3-920-709-33-0
•
Macmoin, Hamburg
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Niedersachsenbuch 2007 - Cuxhaven, ISSN 0946-5588-1
•
Nordseebad Sahlenburg mit seinem Wald am Wattenmeer, 1959
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RaBoe-Wikipedia
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Stadtarchiv Cuxhaven
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SLUB Dresden/Deutsche Fotothek - Uwe Gerig