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Sturmflut 1825 Im Nachhinein drei Berichte zur Sturmflut des 3. und 4. Februar 1825: Ein zeitgenössischer Erlebnisbeitrag  aus Ritzebüttel in voller Länge, sowie zwei recherchierte Berichte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhun-  derts, ausschnittsweise, die Cuxhavener Ereignisse betreffend. Ich weise nochmal darauf hin, dass die Bei-  träge 1:1 übernommen wurden, wobei der erste Beitrag teilweise gar sonderlich formuliert ist. Was teilweise  offenkundige grammatikalische Fehler in diesem Beitrag angeht, so kann nicht gesagt werden, ob diese vom  Urheber herrühren oder seinerzeit beim Übertragen durch den Cuxhavener Heimatforscher Claus Öllerich  entstanden sind. Auch die wurden entsprechend übernommen. Abschließend noch ein kurzer Zeitungsartikel  zur Sache.  Inhalt  Heynsohn - Die Wassernoth von 1825  Siebs - Die Februarflut 1825  Höch - Die Sturmflut vom 3./4. Februar 1825 im hamburgischen  Staatsgebiet Zeitungsartikel - Ritzebüttel, den 4. Februar 1825  Nachträge  _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Die Wassernoth anno 1825 von C.A. Heynsohn, Ritzebüttel „Es war am 3. Februar, abends neun Uhr, als Wilhelm Schleyer, des Schuldheißen Schleyers Sohn, im Gar-  tenhause ankam, und den Schleusegeschworenen, d. E. R. Osterndorff ankündigte, die Schüttels müßten  geschlossen werden, in dem das Wasser schon durchspühlte, und um 12 Uhr erst Hochwasser wäre. Da wir  seit vier Monate immer sehr stürmisch Wetter gehabt hatten, und der Wind am Abend nicht so stark wehete,  wie wir es schon gewohnt waren, so wurde Schleyer fast von der ganzen Gesellschaft nicht geglaubt, und  erhielt von den Schleusegeschworenen in Freundschaft zur Antwort (Götz von Berlichingen) “Ji sitt immer  vuller Angst“; ging doch gleich darauf an seinen Posten. Da gegen 10 Uhr keine Gesellschaft mehr da war,  schloß ich das Gartenhaus, und wollte zum Wohnhause gehen, indem begegnete mir der Chirurgius Reinfurt  und frägt, ob wir schon Lebensmittel auf den Boden gebracht hätten, ich erwiederte lachend nein, und frug  ihn, ob er auch voller Angst sey, er erwiederte aber, daß die mehrsten Einwohner schon daran gedacht hät-  ten, und fast kein Brot mehr zu haben sey, in dem Augenblick bemerkte ich auch, da denselben Abend Hin-  rich Dietrichs aus Duhnen seinen Hochzeitstag mit der Jungfer G. Ehnhusen feyerte, das bunte Gewühl der  Hochzeitsgäste, was auf der Straße durcheinander ran, sich von der kommenden Gefahr einander zu-  schrien, und so fast noch nüchtern nachhause eilten.   Es lief alles zum Deich an der Schleuse, sich von der Gefahr zu über-  zeugen, so auch ich, und welcher Anblick bot sich da dem Auge dar,  das Wasser hatte die Höhe des Deiches schon erreicht, der Wind wur-  de immer heftiger, und drohte so, alles zu vernichten. Ich eilte so wie  die mehrsten wieder zu Hause, und benachrichtigte meine Eltern da-  von, daß Kostbarßte und wichtigste wurde auf den Boden gebracht,  und unsere Kuh mußte mein Bruder Heinrich nach dem Stall auf dem  Schlosse bringen. Nun war alles voller Angst, indem kein Lebender es  hier erlebt hatte, keiner hatte Ruhe zu Hause, selbst meine Mutter  nicht. Sie nahm einer meiner Schwestern in Arm, hüllte sich in einen  Mantel, und mußte so das schreckliche der Gefahr selbst sehen. Als ich  nach dem Verlauf einer halben Stunde am Deich kam spülte es schon am Ostseiten Deich des Havens in  dem Neufelde über, hauptsächlich bey dem Hause des H. Apothekers Voß, welches früher die Scheune des  H. Buschmann gewesen ist, und zu dem Hause gehört hat, welches die Herren Fahrenholz & Sohn gekauft  haben. Barthold Lülcke und Dietr. Peick, welche ein Schiff in Companie fahren, lag vor die Packhäuser, der  Franz Wolf Ww. gehörig, und die hinter dem Ostseiten Deich stehen zum Laden. Die Ueberspülung des  Wassers, welches nirgends so schlimm war, als von den Packhäusern nach dem schon genannten Apoth.  Voß seinem Hause, zog das Holz in ganzen Flotten von den beyden Schiffswerften nach dieser Gegend, wo-  durch die Bewohner des Ostseiten Deichs am Haven davon befreyt und einer großen Gefahr entledigt wur-  den, indem selbiges drohte, die Häuser umzustürzen. Eine von diesen Flotten traf auch oben genanntes  Schiff, die Taue mußten brechen, und wurden am Deich getrieben, welcher fast eine Minute dem Drange des  Schiffs wiederstand leisten konnte, wo es alsdann den Deich herunterstürzte, und im Neufelde, bey der  Reeperbahn entlang trieb und vom Strome fortgerissen wurde. Ein unbefahrener Junge, welcher allein an  Bord war, hat auch einen Anker fallen lassen, es soll aber kein Tau darangewesen seyn. Das mehrste von  diesem Holze ging bey die Fr. Wolff Ww. ihrem Felde übern Deich, traf das von Ständerwerk erbaute Pack-  raum, riß dieses mit fort, so daß auch keine Spur davon geblieben ist, und strömte alsdann auf der  Reeperbahn zu. Die Neugierde, welche viele Menschheit auf den Deich hielt, stritten sich, indem einige  behaupten, der Reepschläger mit seiner Familie sey von der Gefahr benachrichtigt, und hätte schon seine  Wohnung verlassen, andere behaupteten das Gegenteil, so auch mit dem Kamp Hause, worin ein Mann mit  Namen Petersen mit seiner Frau und der Fraue Mutter, Namens Schnuths in wohnten; die Bewohner der  Hadewiek wußten, daß der Reepschläger mit seiner Famielie ihren Wohnort nicht verlassen hatten, und in  dem Augenblick es nicht mehr möglich war ihn zu verlassen, eilten nach dem Schloßgraben, und holten das  darin befindliche Boot, brachten es übern Deich im Neufelde, um darin die in Lebensgefahr schwebenden zu  retten. Dieses alles geschah ungefähr eine viertel Stunde vorher, ehe das Schiff den Deich herabstürzte. Da  jeden die augenscheinliche Gefahr in Furcht setzte, indem keiner wußte, ob es einige oder uns alle treffen  sollte, machte, daß die Besetzung des Bootes nicht so schnell erfolgte, wie es wohl hätte seyn sollen, und in  dem Augenblick wie einige Freywillige im Boote stiegen, kam das Schiff übern Deich, machte eine neue  Oeffnung in selbigen, und nöthigte die Mannschaft, da der Strom dadurch furchtbar ward, mit dem Boote  umzukehren, und für ihre eigene Sicherheit zu sorgen.   Ein fürcherliches Schauspiel, die stürmende See im Sausen des Windes, und vom Neufelder Seedeich her-  unter die wühlenden Fluten im Mondlicht wirbelnd zu sehen über Aecker und Wiesen, und wenn dann der  Mond wieder hervortrat und über die schwarzen Wolken ruhte, und vor uns hinaus die Fluth im fürchterlichen  wiederschein immer höher stieg, da überfiel jedem ein Schauer, und alle eine bange Ahnung. Das ganze  Neufeld war in einem Augenblick angeschwollen und lief schon an mehreren Stellen über, als alles zu Hause  eilte. Der eine Trost, den jeder sich einander gab, war der, wenn die inneren Deiche jetzt nur halten, vom  Ueberspülen erhalten wir keine Wassernoth, so auch bey meinen Eltern zu Hause, weggepackt wollten sie  nichts mehr haben, indem sie sagten, wenn das Wasser vorn auf der Straße entlangkommt, haben wir Zeit  genug, alles nach oben zu bringen. Es wurde daher öfters nach dem Rinnstein auf der Straße gesehen, und  nach Verlauf einer guten viertel Stunde immer kein Wasser. Einen guten Caffee, den meine Schwestern in  der vorder Stube aufgetischt hatten, hauptsächlich wegen einer unser Verwandten aus Altenbruch, Namens  Cecilie Heynsohns, die mit einer Gehülfin die Aussteuer meiner Schwester Catharina, welche mit H.A. Blan-  kenburg versprochen war, verfertigte, indem sie nicht zu Bett gehen konnte, der Ofen nicht mehr warm war,  daher aus Angst und Kälte die Zähne im Munde klapperten, und sich bei einer guten Tasse Kaffee wie eine  Königin befand, und für alles andere am höchsten schätzte, gütlich thun wollte, hatte ich mich vor Müdigkeit  auf einen Stuhl vor ein Eckfenster gesetzt, welches die Aussicht nach dem Gartenhause hatte als der privili-  gierte Musikus Karstens im Zimmer trat, sich in eine Ecke desselben plaßierte und über die Gefahr des Was-  ser zu philosophieren angefangen hatte, bemerkte ich mit Schrecken, daß die Fluthen das Gartenhaus  schon erreicht, und bereits an der Bleichstelle heraufroll; es kömmt, es kömmt, da ist es schon, war das ein-  zige, was ich vor Bestürzung herausbringen konnte, alles lief jetzt was ihm noch am liebsten war, auf den  Boden zu bringen. Karstens, welcher auch jetzt seine Schritte verdoppelte, mußte beym Schulhause unsers  Nachbarn Kiep zwey Fuß hoch mitten auf der Straße im Wasser durchwahten.   Unsere Hausthür wurde jetzt abgeschlossen, und noch waren nicht alle Betten auf den Boden gebracht, als  wir schon auf der Diele das Wasser hatten, und einige derselben eingefeuchtet wurden. Vom Getöse des  Wassers, das schauerlich an die Hinterthür schlug, und von 11 Personen, die fast alle im Wasser wahten  und durcheinanderschrien, konnte man keinem etwas verständlich machen. So gut es sich in Eile machen  ließ, stellte ich einige auf den Boden, andere auf der Treppe, und mein Bruder Heinrich und ich, blieben al-  lein auf der Diele im Wasser, gaben alles, was uns am Kostbarsten schien an die auf der Treppe, die sich es  einander zu reichten, und so wurde noch einmal so viel beschickt wie sonst geschehen seyn würde. Eine  viertel Stunde nachdem war vielleicht schon verflossen und wir am Leibe im Wasser standen, kam meine  Mutter die Treppe herunter, und eilte hastig auf der Diele im Wasser der Laden Thür zu, wo hinter derselben  ihre Wohnstube ist, doch ihre Macht vermochte nicht sie zu öffnen, ich frug, was sie noch holen wollte, wo-  rauf sie erwiederte, schließ mich nur die Thür offen. Es geschah, und mit dem Strom des Wassers, der her-  einquoll, war sie auch in die Stube, beym Schatulle und wollte die oberste Schublade herausziehen, aber, o  Schicksal, das Wasser hatte auf einmal die Höhe derselben erreicht, und so festgesogen, daß wir sie mit  unserer Macht nicht herausziehen konnten, in dem Augenblick gab sie mir zu verstehen, daß alle ihre klei-  nen Odien darin wären und vergessen hätte, sie früher herauszunehmen. Ich zog eine kleinere obere  Schieblade heraus, die zum Aufbewahren der Handlung bestimmt und zum Glücke konnte ich durch diese  Oeffnung ihre Kostbarkeiten dem Verderben entreißen, legte sich meiner Mutter in ihre nasse Schürze,  womit sie auf den Boden eilte. Nur ein paar goldene Ohrringe ist das ganze Verlust von selbigem.   Jetzt konnten wir auch nicht länger im Wasser aushalten, retterirten auf den Boden, um trockene Kleider an-  zulegen. Keiner von den andern war noch nicht mit dem Umkleiden zustande gekommen, indem alles durch-  einander geworfen, keiner was ihm gehörte oder paßbar war, wieder finden konnte. So gut es sich machen  ließ, waren nach Ablauf einer halben Stunde die naßen Kleider abgelegt, und trockne an dessen Stelle. Auf  den dunklen Boden bey einem Lichte in der Laterne, wovon die Scheiben derselben das Alter verdickt hat-  ten, der Schreck und die Angst, die jeder fühlte, die furchtbaren Stoßwinde, die vorn am Haus fielen und sel-  biges zum Beben brachte, das alles machte jedem schauerlich und verursachte eine toten Stille, die keiner  unterbrach. Ausgenommen unsere kleine Verwandtin, die sich gleich ins Bette in Morpheus Armen legte,  setzten wir andern uns, nemlich Vater, Mutter, ich, mein Bruder Heinrich und August, meine Schwestern Jo-  hanna und Catharina, Heinr. August Blankenburg, die Gehülfin unsere Verwandtin Anna Möllers aus Alten-  bruch, und unsere Dienstmagd Anna Ehlersen, so bequem und so nah wie möglich, um die schwach leuch-  tende Laterne. Mein Vater, der sehr unruhig war, stand ungefähr nach Verlauf einer Viertelstunde auf, ging  die Treppe herunter mit einem Lichte in der Hand, um die Höhe des Wassers zu sehen, doch kaum am Ran-  de derselben angelangt, hörten wir den freudigen Ausruf, es fällt schon wieder. Blankenburg und ich gingen  nach und bemerkten, daß es schon beynah einen halben Fuß gefallen sey; jetzt schöpfte alles wieder freyer  Athem, und wurden gesprächiger, die Treppe blieb nie leer, immer ins Wasser gesehen und immer fiel es.  Meine Eltern und einige mehr legten sich daher zur Ruhe, ich nebst meinem Bruder Heinrich, meine Schwe-  ster und unsere Dienstmagd blieben wach und um halb vier Uhr des Morgens konnten wir schon auf der  Diele wahten und das Wasser abschaufeln, gegen 5 Uhr gingen meine Schwester bey der Vorderstube um  diese vom Schlamm zu reinigen, ich legte mich da noch ein wenig nieder um ein wenig zu Ruhen, stand  aber nach Verlauf einer Stunde wieder an der Seite des Hauses, wo ich bemerkte, daß das Schauer der Ke-  gelbahn übergewichen und in meinen Gedanken nicht stehen bleiben würde, da wir schon um der Zeit 6 ein-  halb Uhr das niedrigste Wasser hatten und vier fust hoch noch von selbigen umgeben war.   Die Passage auf der Straße konnte nur durch Pferde und Boote fortgesetzt werden, daher denn selbige  auch dazu benutzt wurden, und dadurch zu wissen bekamen, daß der innere Deich nahe beym Armen-Hau-  se (das an der Lehmkuhle lag) gerade beym Hause von Johann Grube zu gehörig gebrochen und ebenfalls  der Deich zwischen dem Hause des Loots-Commandeur Janhzen und dem Hause von Johst ein Bruch ent-  standen sey. Sowie ich einige Erquickung zu mir genommen hatte, eilte ich zur Schleuse und grausenvoll  war es anzusehn, da der Wind sich immer noch nicht gelegt und das Wasser wenig gefallen war, wie die  schäumenden Wogen, bey die Fa. Wolff Ww. ihren Kalkofen, über die stehenden Bruchstücke des Deichs  stürzten. Da das Wasser schon stark anschwoll, der Wind nicht nachließ, flüchteten die mehrsten, welche in  die niedrigsten Gegenden wohnten und sich nicht auf die Festigkeit ihrer Häuser verlassen konnten; ich  machte meinen Eltern auch den Vorschlag und wurde angenommen, ich traf den ältesten Sohn Reitmann  mit einen Wagen welcher Peter Neuhaus seine Frau und Kinder, nach seines Vaters Wohnung bringen woll-  te, bestellte selbigen, uns auch abzuholen und nach dem „Deutschen Hause“, welches unser früherer Nach-  bar Joh. Tamm gemiethet hatte, zu bringen. Das Wasser stand schon hinten an der Schwelle des Hauses als  er kam, einige Betten, auch vier Wochen Lebensmittel, einen guten Flaschenkeller und unsere Bücher war  alles was wir mitnahmen, das andere dem Schicksal überließen; in unser Logie angelangt, vermißte ich un-  sere kleine Näherin, und vernahm, daß sie zu die Wohnung unsers Nachbarn des Tischlers Cl. Tiedemann  gegangen sey, wo sie Bekanntschaft hätte. Es wurde meinen Eltern ein kleines Zimmer angewiesen, wo die  Bücher, Lebensmittel und Flaschenkeller hingebracht, die Betten aber vorläufig im großen Saal hingelegt  wurden. Wir wurden auch von unsere nächsten Umgebung daselbst begrüßt, nemlich unser Nachbar Kiep  nebst Frau und Unterlehrer Bostel, die Kinder des Verstorbenen Joh. Sanftleben als Trina, Minna, Anna,  Heinrich und August, die Ww. Sommern mit ihrem Sohn, Ph. Sutor, der Uhrmacher Bartels, drey Auswärtige  auf der Hochzeit spielende Musici, die Schmiedegesellen und Dienstmagd von Sanftlebens. Es dauerte nicht  lange als das Wasser auf der Diele drang und wir in die andere Etage flüchteten, ausgenommen der H.  Tamm, Bartels und die Musici, welche hinten im Saale bey einem Glase Wein ruhig die Fluth abwarteten. In  einer warmen Stube unter mehreren Gesprächen spürte keiner eine solche innere Bangigkeit wie auf dem  dunklen Boden, und als das Wasser bereits die höchste Stufe erreicht und zu fallen begonnen hatte und die  Sonne im hellen Glanz sich zeigte, neuen Mut und Hoffnung in jedes Herz goß, ward auch alles fröhlicher,  selbst die Musici, die daher sehr paßend den Gesang spielten, Nun danket alle Gott!   Das Wasser hatte um einen halben Fuß die Höhe nicht erreicht als des Nachts; da fast alle Appetit spürten,  gingen wir in unser angewiesenes Zimmer, um von unser mitgenommenen Lebensmittel, den Magen zu be-  friedigen, als die Wirthin uns einen recht herrlichen Schweinebraten hereinschickte, wahrscheinlich von der  Hochzeit herrührend, der uns vortrefflich zu statten kam und wohl schmecken ließen, da denn der Flaschen-  keller mit dazu wirkte und nicht vergessen wurde. Nachdem ich vielleicht ein Pfeifchen geraucht und das  Wasser bedeutend gefallen war, ritt der Stiefsohn von Math. Krohn namens August Martens vorbey, rief sel-  bigen an mir mitzunehmen, wozu er sich dann auch willig fand, und um nicht im Wasser zu wathen, mußte er  vor einem Fenster der Kellerstube reiten, wo ich denn durch eine Oeffnung desselben, mich hinten aufsetzte;  mitten auf der Straße beym Schullehrer Hause war das Wasser noch 4 Fuß hoch, und bei unserem Hause  angelangt, war die Schwelle desselben soeben davon befreit, ich stellte mich auf selbigen und öffnete die  Hausthür und fing an das Wasser auszuschaufeln, so eben damit zu stande, als mein Bruder Heinr., die Ge-  hülfen und unsere Dienstmagd durch die Gärten kamen von Petermann und Meyer und beym Auskehren  vom Nachlasse des Wassers sich beschäftigten; da wir stilles ruhiges Wasser und keine Fluth zu befürchten  hatten, beschlossen wir die Nacht im Hause zu bleiben und unsere Ruhestellen unten in den Stuben aufzu-  schlagen. Mein Bruder und ich begaben uns in die Wohnstube meiner Eltern zur Ruhe, doch so angstvoll,  daß ich fast alle Stunde wach war und zur Erde guckte, ob das Wasser uns noch überraschen möchte, doch  nein, vielmehr als wir aufgestanden waren, bemerkten daß es die ganze Nacht hindurch gesunken war, und  wir beynahe am Gartenhause bis auf fünf Schritte mit trockenen Füßen kommen konnten.   Um 9 Uhr als am Sonnabend des Morgens kamen auch meine Eltern und übrigen Geschwister zu Hause,  die gleich ans Werk gingen das Haus verkehrbar zu machen. Zwey Fuß hoch stand das Wasser da noch auf  der Straße beym Schulhause, daher die Passage vom Hafen und Schleuse nur bis in unsere Wohnung ging,  wodurch wir viel Besuch bekamen, indem jeder etwas neues wußte, oder wissen wollte; das traurigste war  der Verlust des Reepschlägers, von Frau und vier Kindern. Da das Wasser so hoch stieg, daß es übern  Deich im Neufelde spülte, wurde vom Armenhause ein kleiner Junge von ungefähr 12 Jahren zum Reep-  schläger geschickt, um ihn von der Gefahr, worin er mit seiner ganzen Famielie schwebe zu benachrichti-  gen. Daselbst angelangt und seinen Auftrag bestellt, findet es der Reepschläger Namens Mangels nicht  mehr für rathsam, indem der Strom schon reißend war, mit seiner Famielie seinen Wohnort zu verlassen, er  behält daher dem ihm geschickten Boten, und schickt was ihm möglich und am Kostbarsten ist, auf den Bo-  den, seine Frau mit ihre vier Kinder nehmen ihren Sitz auf das auf den Boden gelagerte Hanf, und so wie  nebst ein Geselle Namens Schade und den kleinen Boten auf den Boden retterieren müssen, werden sie  von einen furchtbaren Stoß und Krachen betäubt, daß ein Floß Holz 2 Fach vom Hause, worauf der Hanf  gelagert, weggerissen, und Frau und Kinder die ihren Sitz darauf genommen, in den Fluthen begraben la-  gen; schrecklich muß der Anblick dessen gewesen sein, soeben vielleicht voneinander getröstet und in dem  nehmlichen Augenblick auf ewig voneinander getrennt.   In der Meinung, daß der Rest des noch übrigen Gebäudes nicht stehen bleiben würde, springt der Meister  nebst Gesellen und der kleine Junge fast ohne Besinnung auf ein vorüberfließendes Floss-Holz, welches  ihnen nach dem hauptdeich bey Wilhelm Brandt seinen Hof bringt, woselbst das übern Deich gegangene  Schiff angelangt ist. Schon in der Wohnung bey Bergung des Gutes durchnäßt, dann auf dem Flosse Holz  vom Wellenschlage immer ganz vom Wasser träufelnd, dazu die furchtbare Angst, auf jeden Augenblick ihr  Grab in den Fluthen zu finden, ist wahrscheinlich die Ursache, daß, als sie vom Holze auf den Deich wollten,  den kleinen Boten erstarrt finden, mit vieler Mühe bringen sie ihn auf den Deich um ihn mit sich nach dem  Schiffe zu nehmen, wo sie ihn wieder zu erwärmen gedenken; doch eine kleine Strecke fortgeschafft, ver-  sagt ihnen ihre Kräfte den Dienst und sehen sich genötigt ihn auf dem Deich liegen zu lassen, wo er auch  am anderen Morgen, sich im Arm genommen, fast wie lebend aussehend, gefunden wurde. Vom starken  Wellenschlage übern Deich, gelangen sie mit eigener Lebensgefahr, indem sie auch beynah erstarrt waren,  zum Schiffe, doch so wie sie einsteigen wollen, werden sie von dem Schiffsjungen der am Bord war hart-  näckig zurückgewiesen mit dem Ausdruck, ihr könnt wohl Diebe sein und erst nach vieler Mühe (indem der  Junge hier fremd war) willigte er in ihren Wunsche. Die Frau nebst ihren 2 ältesten Kindern wurden 8 - 10  Tage nachher gefunden und aus dem Hause des Armenvorstehers Joh. Finck beerdigt, die andern beyden  wurden später aufgefunden und aus dem Armen-Hause beerdigt, die ich mit zur Ruhestätte in Groden  brachte.   Die Bewohner des Hardewieker Kamps Hauses wurden von der Gefahr worin sie schwebten benachrichtigt,  und so wie der Mann nebst seine Frau und der Fraue Mutter es verlassen wollen wurde es letztere die schon  über 80 Jahre hinaus war, nicht mehr möglich, blieb daher im Hause und überließ sich dem Schicksal. Die-  ses Haus wurde ganz weggerissen und die alte Frau erst mit den beyden zuletzt gefundenen Kindern des  Reepschlägers, wiedergefunden, welche auch am nemlichen Tage mit den beyden Kindern aus dem Armen-  Hause beerdigt wurde, ungefähr 4 Wochen nach der verhängnisvollen Nacht fand man sie. An Menschen  sind diese 7 der Verlust im hiesigen Amte.   Am Sonntag Morgen als den 6., konnten wir wieder im Garten-Hause eintreten, wo mehr denn einen halben  Fuß Schlamm inlag und 5 Fuß hoch das Wasser gestanden hatte, vom Drange des Wassers war eine Tafel-  mauer 8 Fuß im Gartenhause hineingeschleudert und eine Füllung in der Thür gesprungen. In der Kegel-  bahn war es ganz verwüstet, alle Dielen mit schweren Lagerhölzern aufgetrieben und durcheinander ver-  strickt. Das Schauer 1 einhalb Fuß übergewichen. Da das Wasser am Ende derselben 7 Fuß hoch gestan-  den, wurde es uns am Donnerstage darauf erst möglich, die Kegelbahn zu reinigen, alle Dielen mußten her-  ausgeschleppt und abgewaschen werden. Da ein neues Hauptbrett und das ganze neu verlegt werden muß-  te, dauerte es bis zum 6ten März ehe wir sie wieder benutzen konnten. In dieser Zwischenzeit waren die Zei-  tungen von Hamburg immer voll von Klagen und Unglücksfällen der Ueberschwemmung sowohl von hier, als  von beyden Seiten des Elbufers, Niederholland, Emden und anderen Gegenden, und so kraftvoll geschrie-  ben, daß jeder der es gelesen hat, es unfehlbar dauern mußte; von hier aus hieß es ungefähr, schrecklich  wäre es anzusehen wie die Kirche mit Menschen angefüllt, darunter Kranke oft ohne Bedeckung, Mütter mit  Masern-Kranke Kinder um sich und dann das Jammern von allen ihrer Habseligkeiten verloren zu haben;  ferner sähe man wie Menschen, Vieh, Berge von Stroh, Bauholz und Schiffsholz in herzzerschneidenden An-  blick und furchtbare Menge durch einander treibe. Das Verursachte daß von allen Gegenden Deutschlands  große Unterstützungen nach Hamburg und allen den Gegenden die gelitten hatten, eingesand wurden, so  wie England & Rußland bedeutende Summen schickten. Unser Amt erhielt über 70.000 Entschädigungs-  Gelder wovon circa 56.000 ausgetheilt, das Uebrige zu nützlichen Anstalten deponiert geworden ist, daß ich  mit Gewißheit erfahren habe.   Neuwerk, das sehr gelitten und wo hauptsächlich viel Vieh ertrunkenst ist, erhielt noch nach Vertheilung von  obigen Entschädigungsgeldern von England. Die beyden Dörfer Behrens und Ahrens haben auch viel gelit-  ten indem da hauptsächlich viele Schaafe ertrunken sind; der Schenkwert Jakob Tamm an der Schleuse der  drey Kühe von Joh. o. Ancker, Reetmann und Brady in Fütterung hatte, wollte des Abends wie das Wasser  die höchste Stufe erreicht und übern Deich spühlte, selbige durch seine Knechte nach dem Vorwerk in das  Gehöft von der Ww. Beckmann‘ s treiben lassen, sein eigenes Vieh dem Schicksal in seine eigene Scheuer  überlassen. Der Knecht mit den drey Kühen vor sich her treibend kamen bey dem Hause des Tischler-Mei-  ster Behrend v. d. Weyde an und sieht sich indem Augenblick in Lebens-Gefahr, indem vor und hinter ihm  der Strom des Wassers übern Deich hinter dem Hause des Bäckers von Garn und quer über der Straße  strömt, mit Anstrengung entkommt er den Strom, doch die drey Kühe wurden eine Beute desselben und trie-  ben hinter dem Hause von B. v. d. Weyde, wo ich sie am andern Morgen ganz aufgeschwollen zwischen  dem Holze treiben sah.   Am schlimmsten von allen traf die Ueberschwemmung den Landmann, seine ganze Wintersaat verloren und  von das wenige Sommerkorn fast gar kein Preis; dazu die viele Arbeit an seinem Lande und hauptsächlich  der Deich-Arbeit, die alle 2 - 3 Fuß erhöht werden mußten; hingegen die Einwohner von Ritzebüttel und Cux-  haven die Beschwerden wenig oder gar nicht fühlten; denn die bedeutende Summe Geldes welche im Um-  lauf kam verursachte eine Lebhaftigkeit die man kaum vorher spürte; die vielen Bauten die man vornahm  und vornehmen mußte, die Deich-Arbeiten, indem die Einwohner von beyden Flecken die Deiche von Ritze-  büttel auch Cuxhaven zu reparieren und zu verhöhen übernahmen, machten, daß, wenn man einen Arbeiter  benöthigte ihn kaum erhalten konnte. Auch der Deich der vor dem Armen-Hause vorbey ging und bey Grab  seinem Hause gebrochen war, wurde in gerader Richtung mit dem dazugehörigen Deich verlegt, wovon die  Einwohner aus dem Lande Hadeln von Altenbruch und Lüdingworth 2drittel Theil übernehmen mußten. Der  Neufelder Deich hat sich am schönsten von allen gehalten, indem er hoch genug war.  Das Schiff von B. Lücke und Peik wurde nahe bey Brands Gehöft übern Deich geschafft und erhielten 500 F  Entschädigungsgelder.   Mögen doch am Himmel hangen Trübe Wolken ohne Zahl Bald sind sie vorübergangen Und die Sonne scheint in´s Thal. Immer kann der West nicht fächeln Auch der Nord muß einmal wehen Will man sehn den Himmel lächeln, Muß man ihn auch weinen sehn. Unmut macht das Herz nicht weicher Menschen, schickt euch in die Zeit Gram macht nur das Leben grauer, Drum so lernt Gelassenheit. Trübe Stunden gehn vorüber, Wie die längste Mitternacht Und der Freunde stumpfe Fieber Wird durch sie nur scharf gemacht. Weisheit lieben, Tugend fühlen Und des Schöpfers sich erfreun, Heißt mit Erdensorgen spielen, Heißt auf Erden selig seyn. Hiermit schließt der Augenzeugenbericht über die Sturmflut 1825. _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Seite 2
Ritzebüttel und Cuxhaven 1817 Zuordnung der genannten Örtlicheiten. Die Lage zu Nr. 4 lässt sich nicht mit Sicherheit belegen, da zwischen dem Aufbau der Seilerei und deren Zerstörung nur wenige Jahre lagen und diese dadurch nicht kartengrafisch belegt ist. Nachoben Seite 1