Der Berg
Wer da denkt Cuxhaven sei ein flacher Pfannkuchen, der irrt. Bekannte Namen wären da der Twellberg in
der Duhner Heide oder der Wolfsberg in Sahlenburg, auch wenn die sich in ihrer Umgebung eigentlich nur
als leichte Erhebungen ausmachen. Da hatte der Duhner Wehrberg mit seinen ehemals 18 Metern schon
anderes zu bieten. Jedoch, wenn ein Cuxhavener auf den Cuxhavener Berg schlechthin angesprochen wird,
dann kann es nur einen geben: Den `Galgenberg´.
In seiner Urform ist der Galgenberg weder Galgen, noch Berg,
sondern ein umfangreiches Gräberfeld. Das Zeitspektrum reicht
nachgewiesen von 5000 v. Christus bis ca. 700, 800 n. Chr..
Gleichzeitig sagt das aus, dass der Bereich Sahlenburg, Duhnen
schon in grauester Vorzeit bevölkert war, vermutlich durch die
Chauken, die bereits bei Plinius d.Ä. und Tacitus Erwähnung
finden.
Das scheint sich um 800 n. Chr. geändert zu haben. Chauken
gingen, Sachsen kamen, der Grabhügel wurde aufgehöht zu
einem Wehrberg, vermutlich mit einem Holzturm oder einer
Wehrburg, was damals zumeißt nicht mehr als eine Palisaden-
ringwand war. Dazu ringsum ein Trockengraben und ein Wall. Vermutlich lässt das auf eine aufkommende
Bedrohung durch Wikinger, rst. Normannen schließen. Der gleichen Bedrohung schreibt man die Einrichtung
der Altenwalder Burg zu. Leider gibt es fast keine kalendarische Daten zu dieser Aera. Lediglich gibt es vom
Namen abgeleitet die Vermutung, dass Wikinger im Bereich der Hardewiek einen Handelsplatz betrieben
und so möglicherweise als die Gründer des ältesten Siedlingsplatzes Cuxhavens, noch vor der Siedlung
Ritzebüttel, zu gelten haben.
Irgendwann hatten sich die Wikinger beruhigt, die Wehranlage war
verfault und der Ritzebütteler Richtplatz, sprich der Galgen, erlebte
im Anno 1652 mit den Eheleuten Catharina und Peter von Damm
seine letzte Amtshandlung. Sie hatten ihre Stieftochter um ihrer Er-
sparnisse wegen durch Gift vom Leben zum Tode gebracht. Danach
wurde der Richtplatz von seinem angestammten Platz auf der Aktu-
arsweide auf den rund 20 Meter hohen `Koppelberg´ verlegt, der nun
zunächst im Volksmund, später dann offiziell, seinen alten Namen
einbüßen musste gegen den martialischen Namen `Galgenberg´.
Das war anno 1695. Seither ist nicht nur sein alter, eigentlicher Na-
me nahezu komplett in Vergessenheit geraten, seither wurde der
Berg auch über Jahrhunderte mehrfach belebt:
•
1710: Hinrichtung eines Dienstmädchens, das seine in Osterende-Groden wohnende frühere Herrin am
1. Weihnachtstag 1709 ermordet hatte.
•
1712, 28. Oktober: Enthauptung des Ehepaares Brütt aus Groden-Abschnede, weil es einen in ihrem
Hause übernachtenden Leinwandhändler ermordet hatte.
•
1772, 30. März: Enthauptung von Anna Margaretha Carstens aus Bremerlehe, weil sie Ihre Brotfrau
Rebecka Eherenberg aus Ritzebüttel ermordet hat. Der Kopf wird auf einen Pfahl gesteckt, der Körper
auf´s Rad gepflochten.
•
1817, 28. April: Enthauptung zweier Mitgleider einer Diebesbande. Die Köpfe werden auf Pfähle
gesteckt.
•
1819, 15. Februar: Entflohenes Mitglied der gleichen Bande wird hingerichtet. (Letzte Hinrichtung.)
Unehrlich
Im Jahre 1770 musste der Galgen erneuert werden, da des alte
mittlerweile morsch geworden war. Das stellte den amtierenden
Ritzebüttler Amtmann Jacob Albrecht von Sienen vor ein großes
Problem. In der Volkskultur hatte sich eine Phobie gegen alles
gebildet, was mit dem Halsgericht verbunden war. Das betraf
sowohl den Henker, als auch seine Knechte, als auch Galgen,
Schafott, Werkzeuge, ... Wer damit in Berührung kam, galt als
`unehrlich´ und wurde nicht nur verachtet und strikt gemieden, er
wurde sogar aus der Gemeinschaft ausgestoßen und musste
sehen, wie er sein Leben abseits jeglicher Menschen fristete, so
geschehen an dem Lüdingworther Bauernsohn Peter Heinsen.
Dieser „sonst arbeitsame und ehrliche Bursche“ hatte im Verlau-
fe einer Hinrichtung im Jahre 1818 unwissentlich mit einem der Henkersknechte in einem Wirtshaus getrun-
ken. Jedoch wurde sein Trinkpartner erkannt und er “in die wildeste Einöde” vertrieben, wo er über ein Jahr
“von Würzeln und Kräutern sich nährte und unter freiem Himmel in Moorgestrüppen übernachtete“, wie ein
Zeitzeugenbericht aussagt. Nachdem Amtmann Abendroth davon erfuhr ließ er den Mann vor dem Schloss
vorführen und in einer großen, öffentlichen Zeremonie wieder `ehrlich´ machen, indem er eine Fahne dreimal
über ihn schwenken ließ, sodass er sein normales Leben wieder aufnehmen konnte. Das war am 26. März
1820.
Vor diesem Problem stand von Sienen nun; keiner der Handwerker war bereit diese Arbeit auszuführen, ja
nur die Materialien zu berühren. So sah er sich gezwungen die Arbeiter zu versammeln und ihnen klar zu
machen, dass, wenn alle an der Arbeit beteiligt wären, keiner dem Anderen Unehrlichkeit vorwerfen könne.
Jedoch hatte er damit keinen Erfolg, denn für die Bevölkerung würden sie trotzdem als unehrlich gelten. So
sag sich von Sienen gezwungen zu einer umfassenden Handlung. Er holte die Schulteißen des Amtes, so-
wie seine Amtsschreiber herzu, stellte sich mit ihnen gemeinsam mit dem Gesicht zum Holz auf und verkün-
dete in einer Rede, sollte jemand die Arbeiter der Unehrlichkeit bezichtigen, dieser `exemplarischste zu straf-
fen´ wäre. Des Weiteren griff der Amtmann zur Axt und tat den ersten symbolischen Schlag an das Holz. Da-
mit waren die Materialien `ehrlich´ gemacht, worauf die Arbeiter zufrieden waren und ihre Arbeit begannen.
Gleiches jedoch musste der Amtmann vor Ort und vor den anderen Gewerkern, Maurer, Erdarbeitern, auf
dem Galgenberg wiederholen. Dazu tat er mit einem Hammer den ersten Schlag auf die zu verwendenden
Feldsteine und stach mit einem Spaten die erste Sode.
Diese rational unbegründete Angst hatte jedoch fraglos den Effekt, dass jeder versuchte, sein Leben soweit
als möglich von einer Bekanntschaft mit Galgen, Rad und Henker entfernt zu leben. Desweiteren war der
Henker aber auch darauf angewiesen, seine Hilfskräfte, die Kenkersknechte, mitzubringen, da er in der Ge-
meinde keine Unterstützung finden würde.
Nächste Periode
In der Folgezeit macht sich der Berg einen Namen durch mehrere
Phasen von verschiedenen Ausgrabungen, beginnend 1843 mit
Amtsphysikus Dr. Schulze und endend um 1935 mit dem in Cuxha-
ven bekanntesten Hobbyarcheologe und Lehrer Karl Waller.
Wie kam es zu den Funden? Anlässlich der Halsgerichte wurden die
Delinquenten auf dem Hügel mehr verscharrt, als beigesetzt. Beim
Ausheben stieß man hier auf eine Pfeilspitze, dort auf Urnenscher-
ben. Daraufhin setzte man von Amts wegen 1843 die genannten
Grabungen an. Dabei stieß Dr. Schulze auf eine Steinkammer mit
Broncewaffen und Urnen. Im darauf folgenden Jahr im Februar gru-
ben dort ein paar `Halbgelehrte´ ebenfalls einen Steinkeller aus, Vor
dem Öffnen kam es jedoch zu seinem Schneesturm, sodass die Arbeiten eingestellt werden mussten. Am
nächsten Tag war die Kammer bereits ausgeräumt. So hat auch Cuxhaven seinen verlorenen Schatz.
Im Laufe der Zeit wurden neben Urnen und jeder Menge Schmuck, Gerätschaften und Waffen auch zahlrei-
che Personen- und Pferdegräber gehoben. Zunehmend gingen die Funde in die hunderte, ja tausende. Zu-
nehmend summierten sich die Funde zu einem ausgedehnten Gräberfeld. Der Fundort rings um den Koppel-
berg, sowie den Silberberg muss sich also archeologisch nicht verstecken, nicht, was die Nutzungsspanne
angeht und nicht, was die Funde angeht. Alldas hier näher aufzuführen würde den Rahmen dieses Beitrages
sprengen.
1920 dann wurde der Hügel bepflanzt und ein Jahr später in die Denkmalliste eingetragen.
Während es in Dänemark noch wenige Anlagen dieser Form gibt, ist diese die einzige in Deutschland erhal-
tene. Aus diesem geschichts-historischen Grund entschloss man sich 1952 den seit nunmehr über hundert
Jahren durch sachkundige, mehr noch aber durch laienhafte Ausgrabungen maltretierten Berg wieder in sei-
nen vermutlichen Urzustand zu versetzen. Beteiligt waren daran die Stadt Cuxhaven, der Landkreis, sowie
das Land Niedersachsen. Zum Abschluss bekam er noch einen Stein gestiftet mit der Aufschrift `Die
Sahlenburg´, was jedoch den Namen `Galgenberg´ nicht verdrängen konnte.
In den beiden Weltkriegen wurde diese exponierte Lage natürlich militärisch genutzt mit einem 2 Meter-
Scheinwerfer, Leuchtweite 12-15 km, sowie einem Horchgerät.
Danach wurde es ruhiger um den Berg. Einmal jährlich fand auf ihm die
Sonnenwendfeier statt und ansonsten verirrt sich bestenfalls mal ein Spa-
ziergänger auf seine einstmals lichten Höhen. Seinen traurigen Höhepunkt
musste dieser denkwürdige Platz erleben, als nach den Krieg die Ausgra-
bungsgruben als Mülldeponie herhalten mussten. Klar, für uns Cuxhavener
Jungs war es eher ein Abenteuerspielplatz, wo man den einen oder anderen
Fund machen konnte. Eine Absperrung oder dergleichen gab es damals
nicht, gab es eigentlich relativ selten in Cuxhaven. Man konnte nach Belie-
ben jede Ecke des Hafens erkunden, ebenso das Fort Kugelbake - heute
undenkbar. Das nur nebenbei. Mit der Inbetriebnahme einer regulären Depo-
nie wurden die Gruben mit Erde abgedeckt. Seither verwuchert der Berg und
wird irgendwann zu einem hundertjahrigen Schlaf antreten. So ist selbst die
Fläche des alten Richtplatzes, welche in meiner Jugend noch offen war,
heute fast zugewachsen. So hat sich mittlerweile der `Verein für Gedenk-
kultur in Cuxhaven´ an die Stadt gewand mit der Aufforderung, sich um den
Berg zu kümmern.
Doch gibt es auch etwas positives zu berichten. Seit 2013 finden unter der
Egide der Universität Leipzig wieder erfolgreiche Grabungen statt.
In Zusammenhang mit der Bepflanzung sei einmal erwähnt, dass es eine Cuxhavener Landschaft, wie wir
sie heute vorfinden, vor 150 Jahren nicht gab. Wer heute den Dünenweg oder den Scharmoorweg zwischen
Duhnen und Sahlenburg erwandert und dazu noch den Aus-
sichtsturm am Dünenweg erklimmt, wird noch ein kleines Areal
Heidefläche finden, der gesamte Rest der Duhner Heide ist be-
reits Kulturland. Weitere Heideflächen gibt es zwischen Werner-
wald und Holte-Spangen, sowie Teile des ehemaligen Truppen-
übungsgeländes. Vor 150 Jahren erstreckte sich diese Heide
kaum glaubhaft durchgehend von Duhnen bis Oxstedt, inkl. dem
Areal des heutigen Wernerwaldes. Es gab keinen Wernerwald,
auch gab es ansonsten kaum Hochbewuchs, vom Sahlenburger
Bauernwald, sowie dem Barn- oder auch Bornhope, dem heuti-
gen Brockeswald, einmal abgesehen. Dieser kleine Wald be-
stand dort bereits seit ältesten Zeiten. Damals, vor 150 Jahren
konnte man ungehindert von Sahlenburg aus das Schloss Ritze-
büttel sehen.
Zeitsprung
Im Nachfolgenden gebe ich eine Aufzeichnung der Geschehnisse um die genannten Hochgerichte der Jahre
1817 und 1819 aus einem Augenzeugenbericht wieder. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus den
Aufzeichnungen des Oxstedter Bauern Peter Neuhaus (*1787, †1851), welcher in seiner Funktion als Leute-
nant des Bürgermilitärs beteiligt war am Zeremoniell.
Zusätzlich habe ich aus gleicher Quelle einen kurzen Ausschnitt einer andere Hinrichtung in Spieka-Knill
hinzu gefügt, in welchem drastisch dargestellt ist, wie eine Henkung nicht ablaufen sollte.
Die gesamte Chronilk wurde von seinem Enkel Ernst Albert Neuhaus-Steinmetz mühevoll in Maschinen-
schrift übertragen und umfasst 228 Seiten. In gewohnter Manier habe ich den Text grammatikalisch unge-
schönt 1:1 übernommen.
“Nachdem einer enthauptet, wurde hurra gerufen“ - Hinrichtungen auf dem Sahlenburger Koppelberg
1817,
d. 25ten April wurde der 6 Delinquenten wegen, nahmens Jo-
hann Hinrich Köster, Johann Hinrich Lunden, thom Suden, Uet-
je, Rahp und obbenannter Kösters Stıefsohn nahmens Brühn,
auf dem Schlosse Ritzebüttel Landgerlcht gehalten, wozu alle
Bürger im hiesigen Amte am Tage vorher als am 24ten April in
schwarzen Kleydern zu erscheinen, eingeladen wurden; jedoch
hatten die mehrsten coulört angezogen, ausgenommen alle Ge-
richtspersonen und einige mehr. Auf dem Larıdgerichte wurden
einige ihrer Dlebstähle öffentlich vorgelesen, nachher 12 Ur-
theils-Männer ernannt, 6 aus dem Kirchspiel Groden und 6 aus
dem Klrchsplel Döse, vor jeden Delinquent 2, ein aus dem
Kirchspiel Groden und ein aus dem Kirchspiel Döse, welche ihre
Urtheile hernach, nachdem sich die Leute beider Kirchspiele
besonders gestellt hatten, vorlasen; allein ihre Urtheile, selbige
waren von der Universitat zu Göttingen gefället und vom Senate
zu Hamburg ratificiret -- wurderı von der gesamten Amts-Ritzebüttelschen Bürgersclıaft in nichts abgeändert;
indes hat der Herr Amtmann und Senator Abendroth folgendes in dem Urtheil geändert: 1. Daß der Kopf des
Kösters nicht auf den Pfahl sollte geheftet werden und 2. daß Köster davon befreyt sein sollte, die Hinrich-
tung des Lunden anzusehen und so lange unten am Fuße des Koppelberges bleiben könne, bis Lunden ent-
hauptet sey. Das Thor war während der Zeit geschlossen. d. 26terı April wurde Nothgericht über die beiden
zum Tode verurtheilten Delinquenten gehalten, wobey denn heißt, das Urtheil ist gesprochen, der Stab wird
zerbrochen, Mensch, du mußt sterben.
d. 27ten April wurden Rad, Pfahl und Leiter nach dem Berge gebracht, welches der Scharfrichter zu Schiffe
mit aus Hamburg gebracht hatte, und eine Wache von Soldaten dabey gestellt.
d. 28ten April Morgens waren die Wege nach Ritzebüttel und
Sahlenburg auf allen Seiten haufenweise mit Menschen ange-
füllt. Das ganze Corps Bürgergarde, Cavallerie so wohl als Infan-
terie, war auf dem Alarm Platz bey der Apotheke unterm Gewehr
versammelt. Die Cavallerie mußte den Wagen, worauf die byden
zum Tode Verurtheilten saßen, den Döser Feldweg durch nach
dem Berge begleiten. Und haben Order gehabt, weil sie beyde in
Stickenbüttel wohnhaft, wenn Sie es verlangen würden, daselbst
ein wenig stille zu halten sie haben es aber nicht verlangt. Die
Infanterie marschierte die Westerwisch durch und formierte auf
dem Berge den Kreis. Ein klein Corps wurde nach Stickenbüttel
und Duhnen geschickt, um da wegen die zu befürchtenden Un-
ruhen zu patrouilliren. Die beyderı Herren Prediger Wilmer zu
Döse und Wolff zu Groden haben mehrbesagte Delinquenten
zum Tode vorbereítet; jedoch wurden sie ohne Geistliche, ohne
Gesang und in ihren täglichen Kleidern nach dem Gerichts-Platz gefahren. Ein Schinderknecht saß bey
ihnen auf dem Wagen.
Darauf wurden also Anno 1817 d. 28 April. Morgens ohngefehr 11 Uhr, Johann Hinrich Köster und Jürgen
Hinrich Lunden, zu Stickenbüttel wohnhaft, wegen vieler Mishandlungen nahe an Mord gränzender Dieb-
stähle, auf dem Sahlenburger Koppelberge durch den Scharfrichter Hinnings aus Hamburg enthauptet. Er
machte seine Sache so geschickt, daß in einem Augenblick der Kopf vom Rumpf getrennt war. Er hatte noch
3 Schinderknechte (Bädelknechte) als Gehülfen bey sich. Lunden war der erste und Köster der Ietzte, und
nach dem einer enthauptet, wurde ein hurra gerufen. Nach vollbrachter Execution wurde der Rumpf des be-
sagten Johann Hinrich Köster aufs Rad gepflochten; der Rumpf war aber nur bis zum 30ten eiusdem auf
dem Rade. Wie er heruntergekommen und wo er geblieben ist, kann man nicht sagen. Der Rumpf und Kopf
von Lunden nebst Kösters Kopf wurden in ein Loch, was zu dem Ende schon gemacht war, und was sich
innerhalb des Berges zu Nordosten befand, von den Schinderknechten in dasselbe híneingeworfen und von
denselben mit Erde zugescharrt.
Die Menge der Zuschauer war beyspiellos groß. Wir als nemlich unsere Büıgergarde hatten auf dem Berge
ein kleines Scharmützel mit einem Hannoveríschen Landwehr Fenderich, welcher sich erkühnte und seinen
Säbel gegen uns zog, wir stachen darauf mit dem Bajonett, gaben ihm einige Hiebe und stießen ihn vom
Berge hinurıter. Nachdem nun alles vollbracht war, hatten sämtliche Offiiere unserer Garde, wozu ich als
Lieutenant auch mit gehörte, in Ritzebüttel eine freie Mahlzeit zu genießen, wozu der Scharfrichter nebst
Gemahlin und kleiner Sohn auch geladen wurden. Der Scharfrichter kam den Mittwochen vor der Hinrich-
tung zu Schiffe in Rítzebüttel an, und am Mittwochen nachher fuhr er zu Schiffe wieder nach Hamburg ab.
Vier andere oben benannte Individuen zur Bande gehörend, als thom Suden, Uetje, Rahp, und Kösters
Stiefsohn nahmens Brühn, alle vier vorher im Kirchspiel Döse wohnhaft gewesen, wurden gleich darauf, und
zwar am 30terı eiusdem, nach Hamburg zu Schiffe abgeführt, um dort ihre Strafe zu empfahen, nehmlich
ersterer zu lebenslänglicher, der zweite zu 25jährlger, und der dritte zu 15jähriger Spinnhaus-Arbeit; letzterer
aber zu 5jähriger Zuchthausarbeit. Diese Bande hat mehrere Jahrelang zu Ritzebüttel gesessen, wodurch
der Wachdienst, so das Bürgermilitär leisten muß, sehr präfagiret worden.
1819,
d. 12ten Febr. wurde wegen Johann Diederich Brockmann, gebürtig aus Flögeln Amts Bederkesa, vor der
Wache auf dem Sclılosse Ritzebüttel hochnothpeinliches Landgericht gehalten, wozu alle Bürger hıesigen
Amtes, soviel thunlich in schwarzen Kleidern geladen waren. Die Gerichtspersonerı waren schwarz gekleidet
mit einem Säbel an der Seite. Es nahm seinen Anfang um 10 Uhr morgens. Vorher wurde 3 mal geläutet und
sodann die Gallosen (oder Thore) geschlossen. Es wurden einige seiner Diebstähle und ihm sein Urtheil
öffentlich vorgelesen, nachher 2 Urtheils-Männer ernannt, einer aus dem Kirchspiel Groden namens A. N.
Krohn auf der Abschneden und einer aus den beiden Kirchspielen Döse und Altenwalde namens D. Strosahl
in der Süderwische. Allein seyn Urtheil war von der Universität zu Göttingen gefället und vom Senate zu
Hamburg ratificiret, und wurde von der versammelten Bürgerschaft in nichts abgeändert.
Am 13ten wurde auf dem grünen Platze vor dem Schloß hochnothpeinliches Halsgerícht über ihn gehalten,
wobey noch etwas von seinen Räubereyen und sein Urtheil wieder vorgelesen wurde. Darnach brach der
Amtmann einen kleinen schwarzen, auf beyden Enden weiß gefärbten Stock entzwey und sagte, das Urtheil
ist gesprochen, der Stock wird zerbrochen, Mensch, du mußt sterben. Nun hielt der Scharfrichter eine kleine
Rede und sagte, daß er nun der Mann sey, der ihn den Rechten nach am Montage mit dem Schwerdt vom
Leben zum Tode bringen könnte. Die dritte Compagnie formíerte den Kreis. Und die Menge der Zuschauer
war groß.
Die beiden Herren Prediger Struwe zu Döse und Wolff zu Groden haben ihn zum Tode vorbereitet. Am Frei-
tage wollte er anfangs nichts davon wissen, war aber wahrscheinlich betrunken. Am Sonntag war er anderen
Sinnes und bath um Vergebung des gestrigen Tages und hat sich sodann guth und rechtschaffen bekehret.
Am Sonntage genoß er das Heilige Abendmahl; jedoch wurde er ohne Geistliche, ohne Gesang und in sei-
nen gewöhnlichen Kleidern nach dem Gerichtsplatz gefahren. Er bath sich aus, daß bei seinem Leben die
Schinder ihm nicht an seinen Leibe kommen sollten, und es ward ihm zugestanden.
d. 15ten Februar wurde er morgens zwischen 11 und 12 Uhr von
dem Scharfrichter Fuchs aus Stade mit dem Schwerdt vom Le-
ben zum Tode gebracht auf dem Sahlenburger Koppelberge.
Der Scharfrichter machte seine Sache so geschickt, dass in ei-
nem Augenblick der Kopf vom Rumpfe getrennt war. Er hatte
einen ]ungen Menschen als College, welcher während der Hin-
richtung Brockmanns Kopf hielt, und 4 Schinderknechte als Ge-
hülfen bey sich. Diese Kerdels gingen ganz schändlich mit
Brockmanns Körper um, sie schnitten ihn eine Brust ab und
schmissen damit herum. Den Kopf hatten sie in seine Jacke
bewunden und wollten ihn mitnehmen, es ward ihnen aber nicht
gewährt, sondern sie mußten ihn in dem Loch, darin seyn Kör-
per begraben war, auch vor unsern Augen sogleich begraben.
Genug, es war wahres Schinderzeug. Was die Hinrichtung
selbst anlanget, ging sehr guth. Übrigens war alles nicht so re-
gelmäßig wie mit Hinnings bey Köster und Lunden.
Ohngefehr eine Stunde vor der Hinrichtung kamen sie mit dem Stuhl und Eschers (Spaten), gruben auf dem
Berge auf Nordosten bey dem Begräbnisse Lunden ein Loch, worin Brockmann begraben werden sollte.
Den Stuhl gruben sie an den Zapfen ein wenig in der Erde ein und stampften es mit den Füßen fest, und
setzten ihn so, daß das Angesicht nach Süden war. daß ganze Corps Bürgermilitär war an diesem Tage auf
den Beinen! Die dritte Compagnie blieb in Ritzebüttel stehen. Die erste und zweite marschierte den Döser
Feldweg hinaus. Die vierte Compagnie versammelte sich beym Berge, hatte ein Detachement von 20 Mann
in Döse und eines in Stickenbüttel stehen. Diese mußten sich, als Brockmann durch war, mit dem übrigen
Theil der Compagnie beym Berge vereinigen. Zehn Mann und ein Unteroffizier standen auf dem Berge, um
Ordnung zu halten und den Aufgang zu reinigen. Und formierten diese 3 Compagnien auf dem Berge den
Kreis. Die Cavalleristen begleiteten den Wagen, darauf der Delinquent mit seinem bey sich habenden Serge-
ant und Corporal saß, den Döser Feldweg hinaus nach dem Berge zu. Er, nämlich Brockmann, ging ganz
getrost zu seinem Tode hin in der Hoffnung, daß ihm der liebe Gott
gnädig seyn und zu Gnaden annehmen werde. Er setzte sich,
nachdem er seine Jacke und Weste ausgezogen und von sich
geworfen, ruhig auf dem Stuhle hin und faltete seine Hände und
ward nicht gebunden. Er hatte den Scharfrichter gebeten, so eilig
mit der Hinrichtung zu verfahren wie möglich, und es geschah
also, denn es war nur soviel, daß er auf den Berg kam, so war der
Kopf herunter. Die Augen wurden ihm mit einer weißen Binde
zugebunden. Derjenige, der ihm den Kopf hielt, stand vorn, und
der Scharfrichter hinten und schlug, ohne einen großen Schwung
zu nehmen, mit seinem ganz geraden Schwerdt, so er mit beıden
Händen gefaßt, an die rechte Seite des Halses an. Sogleich war
der Kopf vom Rumpf getrennet.
Dieser Brockmann ist ein Bruder des zu Otterndorff 1817 am 24ten Oct. hingerichteten Brockmanns. Der
Scharfrichter war behandelt vor 400 Mark. Die Hinrichtung Köster und Lundem soll an die 2000 Mark gekos-
tet haben. Zuschauer waren lange nicht so viel wie bey Köster und Lunden. Auch fiel etwas Schlägerey da-
bey vor. Bey einer Hinrichtung bleiben die Gerichtspersonen so lange auf dem Schlosse beysammen und
das Thor ist geschlossen, bis Order vom Berge kömmt, wie es gegangen.
Kurze Darstellung einer verunglückten Henkung, so geschehen 1827 in Spieka-Knill.
Wie sie nun beim Richtplatze angelangt waren und Rohr von seinem ihn begleitenden Prediger zur Linken
und dem Königlichen Landdragoner zur Rechten den Berg hinaufgeführt worden war, knieete derselbe nie-
der, und der Prediger segnete ihn ein und führte ihn zum StuhI, worauf er sich niederließ, und nach gesche-
hener Verbindung der Augen der Scharfrichter Poel den Schwerdtstreich vollführte, aber wegen seinem
überall zitternden Körper diesen in der Kinnlade der Backe führte, gleich darauf den zweiten Schwerdtstreich
versetzte, welcher zwar den Hals traf, aber doch noch nicht den Kopf vom Körper trennte. Bey diesem fiel
Stuhl und Körper um zur Erde. Nach kleinem Bedenken nahm der Halbmeister Schwarz aus Bremervörde
dem Scharfrichter Poel das Schwerdt ab, und der Halbmeister Knap aus Bederkesa, der den Kopf gehalten
hatte, faßte denselben an und hob so den Körper etwas in die Höhe, und so hieb Schwarz den Kopf weg.
Hierauf ließ der Obervoigt Dodt aus Dorum den Scharfrichter Poel zu sich rufen, und nachdem die beyden
Unterredung gehalten, Sclıwarz auch versichert, daß er die beyden wohl enthaupten wollte, und so wurde
nun Döscher vom Prediger und Landdragoner begleitet und hinauf geführt, eingesegnet und die Enthaup-
tung von Schwarz sehr gut verrichtet.
Bilder
Abspann
Dank an:
Henny Wiepking: Es war einmal
Landschaftsverband Stade e.V.: `Wege in die Kulturlandschaft zwischen Elbe und Weser´, Faltblatt Nr. 25
Männer vom Morgenstern: Niederdeutsches Heimatblatt, Nr 493
Stadtarchiv Cuxhaven, Torsten Thees: `Von Galgen und Henkern´
Universität Leipzig, Professor `Veit: Lehrgrabung am Galgenberg in Cuxhaven´